Sabrina Windmüller: „Umfallen, aufstehen, Krone richten, weiter machen“

Für die-sportpsychologen.ch berichtet:

Sabrina Windmüller

Sie gilt als die erfolgreichste Schweizer Skispringerin. Seit 2006 ist Sabrina Windmüller an internationalen Springen mit von der Partie. Ihren ersten grossen Erfolg verzeichnete sie 2012 am Weltcup in Hinterzarten mit dem ersten Rang. Bei Schweizer Meisterschaften feierte sie seit 2007 insgesamt fünf Einzelmedaillen – 2011 und 2012 holte die gebürtige Walenstädterin dabei den Titel. Sabrina Windmüller hat von klein auf, zusammen mit ihrer jüngeren Schwester, beim SSC Toggenburg, also im gleichen Verein wie Simon Ammann, trainiert. Die laufende Saison begann für sie mit ihren beiden Siegen im Dezember 2015 am Continental Cup Notodden, Norwegen, sehr erfolgreich.

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Wie schaffst du das, immer wieder auf den Punkt genau bereit zu sein?

Das war ich nicht immer in gleicher Form. Früher war mein Start viel mehr Glückssache oder Zufall als heute. Ich meine so nach dem Motto: Manchmal ging es gut, manchmal eben nicht. Oder jeweils rückblickend „heute war ein guter Tag, heute war nicht mein Tag“. Irgendwann wollte ich das dann mit dem Ziel ändern, mich selber besser steuern zu können und suchte Hilfe beim Sportpsychologen. Ich habe lange daran gearbeitet und gefeilt, um herauszufinden, was mir in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung gut tut, was ich brauche und was ich sicher vermeiden möchte. Das Resultat waren Rituale als Vorbereitung vor dem Start.

Wie sieht deine Vorbereitung vor dem Start denn konkret aus?

Generell pflege ich meine Rituale. Diese beginnen mit dem Aufwärmen: Übungen, die mir gut tun, bleibe ich treu, andere Übungen können auch mal variieren. Wenn ich oben am Start angekommen bin, nehme ich mir ca. 10 Minuten vor dem Start Zeit für mich. Ich richte dann meine Schuhe, meinen Anzug und die Starnummer. Nach dem Materialcheck beginnt die mentale Vorbereitung. Ich widme mich meinen Schlüsselpunkten, die ich im Sprung realisieren will. Dabei fokussiere ich die einzelnen Teile und stelle sie mir in Begleitung eines Selbstgespräches vor.

Danach gehe ich zur “Schrittkontrolle” und begebe mich in eine Ruheposition, damit mein Puls nicht zu fest ansteigt und ich den Sprung in meinem optimalen Zustand absolvieren kann. Dort warte ich, bis mir erlaubt ist die Skier anzuziehen. Dafür stehen mir meistens 25 Sekunden zur Verfügung. In dieser Zeit stelle ich mir nochmals die wichtigsten Punkte vor und kommentiere sie in einem motivierenden Selbstgespräch. Ich hüpfe auf den Startbalken und warte dort auf das Signal, dass ich losfahren kann. In diesem Moment versuche ich völlig frei von Gedanken zu sein um den Sprung laufen zu lassen.

Wie merkst du, wenn du richtig gut bereit bist für den Sprung?

Ich habe gelernt, auf meinen Körper und seine Signale zu achten. Sobald ich meine Aufmerksamkeit darauf richte, weiss ich es halt einfach. Die vielen Erfahrungen über die Jahre hinweg geben mir wichtige Anhaltspunkte dazu. Die Sportpsychologie spricht vom Erreichen des optimalen Leistungszustandes (Anmerkung: Yerkes & Dodson, 1908). Ziel ist das individuell passende Niveau an Aktivation zu kennen, also meinen richtigen Punkt zwischen Entspannung und Anspannung zu finden. Durch meine Rituale während der Wettkampfvorbereitung gelingt es mir viel einfacher und schneller in den OLZ zu gelangen. Es ist wie ein Countdown. Vom Start rückblickend sind die Abläufe, die genauen Inhalte und der mentale Teil im Detail definiert. Ich bin meistens eine Stunde vor Wettkampfbeginn an der Schanze und richte das Material. Die verbleibenden 45 Minuten verwende ich dann für meine Wettkampfvorbereitung. Inzwischen kenne ich meine Rituale genau und weiss, wann ich sie wie anzuwenden habe. Wichtig für mich ist, eben genügend Zeit einzuberechnen, Hektik gefällt mir nicht. Was bedeutet, dass ich mich zeitig auf den Weg zum Start machen muss, damit ich in Ruhe alles durchgehen kann.

Was würdest du jungen SportlerInnen mit auf den Weg geben zum Thema unmittelbare Wettkampfvorbereitung?

Mir erscheint es wichtig, dass man seine Rituale findet und diese dann auch pflegt. Das ist eine Übungssache, die man in die Trainings einbauen kann. Es ist wichtig herauszufinden was einem persönlich gut tut. Aber das erfordert viel Arbeit und ich brauchte oft einiges an Geduld, auch hier hilft mir mein Spruch immer: „Umfallen, aufstehen, Krone richten, weiter machen“.

Gelingt das, dann kann ich besser Ruhe und einen klaren Kopf bewahren und ich kann mich gut konzentrieren.

Avatar_BaldasarreDas Interview führte Cristina Baldasarre: Zum Profil

Quellen:

http://www.coopzeitung.ch/Skispringen

Yerkes, R.M. & Dodson, J.D.: The relation of strength of stimulus to rapidity of habit-formation. Journal of Comparative Neurology and Psychology, 18 (1908) 459-482

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de