Philippe Müller: Die späten Neuen

Die großen europäischen Fußballligen haben den Spielbetrieb wieder aufgenommen. Dennoch ist auf dem Transfermarkt noch Hochkonjunktur angesagt. Bis zur Schließung des Transferfensters wird intensiv verhandelt und gern noch einmal munter eingekauft. Die Neuzuzügler treffen dabei auf eine bestehende und funktionierende Mannschaft. Sie müssen möglichst schnell in dieses Gefüge eingegliedert werden.

Zum Thema: Worauf im Profi-Fußball bei der Integration von späten Neueinkäufen geachtet werden sollte.

Durch die in den letzten Jahren fortschreitenden Migrations- und Globalisierungsprozesse nimmt die Vielfalt an Nationalitäten im deutschen Sportsystem zu (Rolufs, 2011). In der Bundesliga kann dieser Trend schon lange beobachtet werden (interaktive Grafik. Quelle: Transfermarkt.de: http://www.bpb.de/fsd/bundesliga/auslaenderanteil/#) Dies führt dazu, dass Vereine mit neuen Problemstellungen in den Bereichen Lebenssituationen, Interessen und Voraussetzungen konfrontiert werden. Die Heterogenität führt jedoch nicht nur zu Nachteilen. Gelingt es, die Entstehung von Konflikten und mangelndem Zusammenhalt zu vermeiden, kann die Heterogenität zu einer Leistungszunahme, größerer Kreativität und neuen Problemlösestrategien führen (Cunningham, 2004).

Besonders bei ausländischen Spielern, die spät zu einem neuen Verein stoßen, hat die Eingliederung in das Umfeld eine tragende Rolle. Dies betrifft sowohl die Integration in die Mannschaft als auch das Zurechtfinden in der neuen Umgebung. Eine gute Betreuung sowohl auf als auch neben dem Platz ist deshalb wichtig. Eine gute Lösung besteht darin, einheimische Führungsspieler mit dieser Aufgabe zu beauftragen. Sie ermöglichen es den Anschluss ans Team und das Zurechtfinden im Alltag zu unterstützen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil stellt die Sprache dar. Einerseits ist sie für die Kommunikation innerhalb der Mannschaft und andererseits für die Verständigung mit den Vereinsverantwortlichen, den Medien und den Fans von großer Bedeutung.

Bestehende Strukturen werden durchbrochen

Nebst der individuellen Integration der Neuankömmlinge muss die Mannschaft neu geformt werden. Jeder Spieler und Trainer nimmt eine bestimmte Rolle und Position im Team ein. Diese beinhalten jeweilige Aufgaben, Anforderungen und Erwartungen und sind mit unterschiedlichen Machtverhältnissen ausgestattet. Diese müssen von den Teammitgliedern akzeptiert werden. Durch die Neuverpflichtungen werden die bestehenden Strukturen durchbrochen. Die Spieler werden mit neuen Rollen konfrontiert. Zum Beispiel kann dies für ein Spieler bedeuten, dass auf seiner Position mehr Konkurrenz herrscht, oder dass er vom Stamm- zum Einwechselspieler degradiert wird. Aus solchen Situationen können Rollenkonflikte entstehen, die dem Mannschaftszusammenhalt und letztendlich der Leistung schaden.

Um diesen Konflikten vorzubeugen, ist vor allem eine gute Kommunikation notwendig. Gründe für den Transfer müssen der Mannschaft offen mitgeteilt werden, sowie die Vorteile hervorgehoben werden. Mit den betroffenen Spielern sollte zudem eine Lösung gefunden oder ein Kompromiss getroffen werden. Nur so kann die Akzeptanz der gesamten Mannschaft erreicht werden. Dass in diesem Punkt noch einiges Potential und Nachholbedarf steckt, zeigen die täglichen Medienberichte. Es ist keine Seltenheit, dass unzufriedene und übergangene Spieler die letzten Tage im August nutzen, einen neuen Verein zu finden, bei dem sie das Gefühl vermittelt bekommen, gebraucht zu werden. Dass dies wiederum den selben Prozess in der neuen Mannschaft auslösen kann, ist ihnen wohl nicht bewusst. Die Spirale kann nur durch geeignete Integrationsmaßnahmen gestoppt werden. Oder sie wird sich weiter drehen, bis der Transfermarkt geschlossen ist.

Literatur:
Cunningham, G. B. (2004). Strategies for Transforming the Possible Negative Effects of Group Diversity. Quest, 56, 421-438.
Rulofs, B. (2011). Diversity Management — Perspektiven und konzeptionelle Ansätze für den Umgang mit Vielfalt im organisierten Sport. In S. Braun & T. Nobis (Hrsg.), Migration, Integration und Sport (S. 83-97). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

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Philippe Müller
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