Kein Sportler wünscht sich Verletzungen. Trotzdem muss sich fast jeder früher oder später mit einer Verletzung auseinandersetzen. Es kann hilfreich sein zu wissen, wie sie psychologisch verarbeitet werden – und wie Sportler dazu beitragen können, dass die Verarbeitung gut gelingt und der Kopf nach der Verletzung wieder frei ist.
Zum Thema: Umgang mit Verletzungen
Grundsätzlich geht die Psyche nach einschneidenden Ereignissen durch verschiedene Phasen. Diese Phasen laufen meistens (aber nicht immer) in der folgenden Reihenfolge ab, sie sind natürlich und helfen bei der Verarbeitung, damit die Aufmerksamkeit möglichst schnell wieder in die Zukunft gehen kann.
Phase 1: Negieren
„Es ist nichts. Alles gut!“ Das ist oft die erste Reaktion, wenn etwas kaputt ist. Man möchte es nicht wahrhaben und klammert sich an der Hoffnung fest, dass der Sturz oder der Knacks sich am Ende doch als harmlos herausstellt
Phase 2: Verhandeln
Wenn dann die Diagnose feststeht, in der Regel beim Orthopäden oder nach dem Röntgen oder MRT, und man wahrhaben muss, dass die Verletzung passiert ist, beginnt die Verhandlungsphase. Man überlegt, was man tun kann, um nicht acht Wochen, sondern nur sechs Wochen nicht trainieren zu dürfen, sagt sich innerlich, dass man schneller sein wird als die Ärzte sagen, oder man verhandelt mit den Ärzten.
Manche Sportler wenden sich auch innerlich in die Vergangenheit: Hätte ich nur nicht …, dann wäre alles gut gegangen. Letztere Version nutzt der Psyche nicht, sondern schadet. Wer sich dabei erwischt, sollte schnell ins Hier und Jetzt zurückkehren und die Verletzung annehmen, so wie sie ist, mitsamt den Gefühlen, die dadurch ausgelöst werden. Denn danach kann sich der Fokus wieder nach vorne richten.
Phase 3: Wut oder Ärger
Manche Sportler sind sauer auf sich selbst. Sie sind vielleicht ein Risiko eingegangen oder haben kurz nicht aufgepasst. Andere sind wütend auf andere: Den Gegner, der ihnen ins Knie gesprungen ist, die Ersthelfer, die einen Fehler gemacht haben, das Krankenhaus, wo sie lange warten mussten, so dass die Versorgung nicht optimal war. Diese Phase ist ok, sie wechselt häufig ein paarmal mit Phase vier.
Wenn aber die Phase drei zu lange dauert, also länger als zwei bis drei Wochen, sprich mit einem Vertrauten oder einem Sportpsychologen, damit du loslassen kannst und weiterkommst.
Phase 4: Trauer oder Schmerz
Eine Verletzung bedeutet immer einen Verlust. Der eine kann die Saisonziele nicht mehr erreichen, die andere verliert ihren Stammplatz im Team, der dritte bangt um eine Vertragsverlängerung, die vierte kann nicht zu einem Wettkampf reisen, auf den sie lange hingearbeitet hat, der fünfte ist vielleicht sogar dauerhaft eingeschränkt oder muss sich gar von seinem Sport auf Leistungsniveau für immer verabschieden – das löst Schmerz aus und Trauer. Nicht jeder Sportler mag das, aber diese Phase ist nicht nur natürlich und normal, sie ist auch notwendig, um ganz über die Verletzung hinwegzukommen. Diese Phase kann ganz unterschiedlich lang andauern. Der eine weint eine ganze Nacht lang im Krankenhaus. Ein anderer merkt, dass er einige Wochen besonders niedergeschlagen und traurig ist.
Wichtig hier: Beobachten, nicht dagegen ankämpfen. Es hilft, mit einem vertrauten Menschen zu sprechen, sich Trost zu holen. Was nicht hilft: den Schmerz wegdrücken mit oberflächlichen positiven Gedanken wie: Das wird schon wieder. Denn damit betrügt man sich selbst.
Phase 5: Annahme und Neuausrichtung
Schon während der Phase des Betrauerns gibt es immer wieder Momente, in denen sich die Energie nach vorne richtet und man merkt: Man macht mit der Situation seinen Frieden. Diese Phasen werden länger und lösen schließlich Phase vier ab. Nun fühlt man sich ok, man fasst neue Ziele, sportliche oder andere und beginnt, mit der neuen Situation zu leben. Wird man wieder vollständig gesund, spricht man mit Trainern und Betreuern, um neue Saisonziele zu fassen, das Training neu auszurichten und sich erneut zu motivieren. Ist man hier angekommen, ist die Verarbeitung abgeschlossen.
Unsere Unterstützung
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