Arthur Wachter und André Sirocks: Karriereende – und was dann?

In der medialen Glitzerwelt wird oft der Eindruck erweckt, dass die Mehrzahl der Sportler nach ihrer aktiven Karriere finanziell ausgesorgt haben. Allerdings gilt dies bestenfalls für Fußballer in den obersten Ligen, die wenigen Formel 1-Piloten, so manche Tennis-Profis und wenige Individualsportler. Die meisten anderen Berufssportler, allen voran die aus den olympischen Sportarten, sind auf eine Karriere nach der Karriere angewiesen. Wir haben hier bei einem Ex-Fußballer nachgefragt, der sich nach seiner Laufbahn nicht in die Hängematte legen wollte und wir zeigen auf, wie wir von Die Sportpsychologen beim Karriereübergang helfen können. 

Zum Thema: Den Karriereübergang vorbereiten und meistern

Grundsätzlich müssen wir zwei Szenarien unterscheiden: Handelt es sich um einen geplanten Ausstieg aus dem Spitzensport oder erfolgt dieser unfreiwillig, da zum Beispiel eine Verletzung oder eine Krankheit vorliegt?

Sportpsychologen und Mentaltrainer können Sportlern helfen, sich auf beide Szenarien gut vorzubereiten. Aus meiner Sicht sind folgende Tipps dazu wichtig:

  • Sportler sollten sich möglichst früh in der Karriere feste Strukturen und Ansprechpartner für verschiedene Bereiche schaffen (auch außerhalb des eigenen Sports geht es darum, sich ein Netzwerk aufzubauen und vielleicht sogar einmal Firmen zu besuchen oder Berufe kennenzulernen).
  • Mit einem Mentaltrainer/Coach oder Sportpsychologen lohnt es, ein Profil (Kompetenzen und Werte) zu erstellen, welches im Laufe der Sportkarriere immer wieder überprüft und überarbeitet (je nach Alter des Sportlers ein- bis zweimal pro Jahr) werden kann.
  • Das Thema Geld muss besprochen werden: Habe ich ausgesorgt? Wie stehe ich zu Geld (siehe Werte)? Was brauche ich? Was kommt danach?
  • Wichtig ist zudem, sich mit der Frage zu beschäftigen: Wer bin ich eigentlich ohne meine Sportart?

In meiner praktischen Arbeit lege ich großen Wert darauf, die Zukunft zu visualisieren. Es geht darum, dass die Athleten und Athletinnen ihre Zukunft aufzeichnen und wir diese Inhalte dann besprechen. Dabei achte ich darauf, dass dies ohne Druck passiert und wir dies in gegebenen zeitlichen Abständen immer wieder angehen. Meine Rolle als Vertrauensperson außerhalb des Systems Leistungssport bekommt damit eine gewisse Brückenfunktion.

Beispiel aus der Praxis

Während es heute viel einfacher geworden ist, sich als Sportler oder Sportlerin passende Unterstützung zu holen, waren selbst im Fußball die Profis bis vor einigen Jahren ziemlich auf sich allein gestellt. Um von den Erfahrungen eines Ex-Kickers zu profitieren, habe ich Kontakt zu einem Bekannten aufgenommen, der uns dankenswerterweise sehr offen von seinen Erfahrungen vom Übergang aus der ersten in die zweite Karriere berichtet hat: 

André Sirocks, (18.09.1966) spielte während seiner Laufbahn für den 1. FC Union Berlin, Hannover 96 und Stuttgarter Kickers. Mit dem damaligen Zweitligisten Hannover 96 wurde er 1992 DFB-Pokalsieger. Zwei Jahre zuvor, beim ersten Berliner Derby zwischen Hertha und Union, welches als Freundschaftsspiel vor über 50.000 Zuschauern im Olympiastadion ausgetragen wurde, erzielte Sirocks bei der 1:2-Niederlage den Treffer für Union. Heute arbeitet der Ex-Profi als Finanz- und Unternehmensberater in seiner eigenen Firma im Raum Stuttgart.

André Sirocks – einst Fußball-Profi, heute Unternehmer

Arthur Wachter: Hallo André, schön dich wieder mal zu sprechen. Sag mal, was hat dich bewogen, deine Karriere zu beenden?

Ich musste Mitte 1998 mein erstes Leben aus gesundheitlichen Gründen beenden. Zwei Jahre nach einer schweren Bandscheibenoperation. Nach der Verletzung und im Zuge der Genesung hatte ich aber viel Zeit, über die Zukunft und das, was ich machen wollen würde, nachzudenken. 

Hattest du konkrete Vorstellungen, was du machen wolltest?

Ich habe mich schon zu meinen aktiven Zeiten intensiv mit Finanzen beschäftigt und habe dann die Möglichkeit wahrgenommen, bei der Allianz eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann zu machen. Im Ergebnis bin ich aus dem Angestelltenverhältnis als Fußballer direkt in die Selbständigkeit übergegangen und habe mich auf meine ureigenen Stärken verlassen: Disziplin, Wille, Ausdauer, positives Denken, Menschenkenntnisse, Freude am Tun und das alles gepaart mit meiner Offenheit für Neues!

Hattest du Hilfe aus dem Verein, Umfeld oder durch Berater?

Der damalige Verein hat mir hier insoweit geholfen, dass er mir keinen Druck hinsichtlich der Entscheidung gemacht hat, ob es mit dem Fußball nach meiner Verletzung nochmal klappt oder eben nicht. Diesbezüglich war ich völlig frei. Geholfen, im Sinne der Berufswahl oder beim Übergang in die nachsportliche Karriere… klares NEIN! Ich habe mich durch meine Art und mein Denken selbst in Stellung für meine zweite Laufbahn gebracht. An meiner Einstellung hat sich seither wenig verändert: Selbst und Ständig, wirkliche Hilfe ist aus meiner Erfahrung rar gesät.

Gibt es Unterschiede, wenn du die Rahmenbedingungen im Fußball in den 1990er Jahren mit denen von heute vergleichst?

Einer der größten Unterschiede zu damals ist wohl das liebe Geld. Wenn man damals im Laufe einer Karriere schon solche Summen wie heute hätte verdienen können, wäre der Druck, nach der sportlichen Laufbahn beruflich etwas leisten zu müssen, ein anderer gewesen. Allerdings frage ich mich, ob dies ein Vor- oder Nachteil ist?

Fest steht, egal ob viel oder wenig Geld, das Leben geht nach dem Fußball weiter und jeder Profi sollte sich rechtzeitig Gedanken über die Zukunft machen. Je nachdem, was man tun möchte. Heute sind die jungen Profis besser von den Vereinen oder von Beratern betreut. Es wird aufgrund der Möglichkeiten schon viel eher geschaut, was man mal nach seiner Zeit machen kann beziehungsweise will. Und viele beginnen schon während ihrer aktiven Zeit, bestimme Standbeine aufzubauen. Und das ist gut so!

Was würdest du jungen Sportler heute raten?

Ich würde jedem jungen Menschen raten, seinen Neigungen nachzugehen und zu schauen, was das Leben alles für tolle Möglichkeiten bietet! Dies aber mit ausreichend Überlegung, mit Bedacht – aber der nötigen Power. Wenn ich meinen Weg rückblickend betrachte, würde ich heute nichts anders machen als damals. Mit Volldampf die eigenen Ideen leben.

Jungen Profis kann ich nur die Empfehlung geben, sich so weit wie möglich eine eigene Meinung zu bilden, sich schlau zu machen, um nicht in Abhängigkeit zu geraten. Dass heißt, selbst Entscheidungen zu treffen und diese dann auch durchzuziehen. Sich eng mit seinem Elternhaus oder langjährigen Freunden abzustimmen, denn die sind die einzig wahren, die es gut mit einem meinen!

Was kann diesbezüglich ein persönlicher Sportpsychologe oder Mentalcoach leisten? 

Ja, absolut. Ich hätte mir diese Unterstützung auch bei meiner ersten Karriere schon gewünscht. Heute haben die jungen Kicker die Möglichkeit, sich schon früh in ihrer Laufbahn eine Vertrauensperson an die Seite zu holen, die sowohl für sportliche als auch für darüber hinausgehende Themen zu einem wichtigen Gesprächspartner werden kann. Sportpsychologen und Mentaltrainer werden diesbezüglich in Zukunft wichtiger werden.

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