Simon Brandstätter: Neue Autorität – Was sich im modernen Sport verändert

Das Thema der Autorität hat sich in der Gesellschaft vor allem in den zurückliegenden Jahrzehnten deutlich verändert – dieser Wertewandel und dessen Auswirkungen zeigen sich auch im Sport sehr deutlich. In der deutschen Fußball-Bundesliga stehen sehr viele junge, aber auch viele erfahrene Trainer in der Verantwortung. Sie alle bemerken: Sportler/innen haben ein verändertes Autoritätsverhältnis zum Trainerteam und der Respekt aufgrund der Funktion im Verein ist nicht mehr automatisch da. In vielen anderen Sportarten, wie z. B. dem traditionsreichen Handball oder dem Skisport ändern sich ebenfalls die Anforderungen an die Coaches zunehmend. Auch die Sportlehrer/innen in den Schulen sehen sich mit neuen Herausforderungen und Erwartungen ihrer Schüler/innen konfrontiert. Sie sind dadurch mehr und mehr gefordert, ihre Grundhaltung sowie Rolle gegenüber den Kindern und Jugendlichen zu reflektieren um diese gegebenenfalls zu adaptieren.

Zum Thema: Neue Autorität – Die Stärken zeitgemäßer Führung im Sport

Trainer/innen sind Führungskräfte, die zumindest einen Sportler oder eine Sportlerin, meistens aber mehrere Personen führen müssen. Um diese Aufgabe in der Zusammenarbeit bestmöglich zu erfüllen, gehört das Bewusstsein dazu, welches Führungsverständnis ich als Trainer oder Trainerin habe.

Diese Haltung ist geprägt von der eigenen Erziehung aber auch von der Entwicklung als Erwachsener, von den Motiven, selbst Sport zu betreiben und von jenen, Trainer/in zu sein. Dabei ist das Autoritätsverständnis die Basis, die auf die Zusammenarbeit, die Führung, das Training, das Klima und das Lernumfeld einwirkt und diese maßgeblich beeinflusst.

Die traditionelle Autorität

Wir alle kennen die traditionelle Autorität, die für folgende Schlagwörter steht:

  • eine gewisse Distanz,

  • Kontrolle der Anderen,

  • Misstrauen,

  • streng hierarchische Strukturen,

  • Strafen,

  • Schuldzuweisungen,

  • Kritikverbot,

  • unmittelbare und harte Konsequenzen

  • u. a. m.

Frei nach dem Motto: “Dies hat schon immer so funktioniert und wird es auch weiterhin tun!”

Die neue Rolle: Der selbstbewusste Athlet

Im Laufe der vergangenen Jahre hat sich das Verständnis der Autorität in der Gesellschaft allerdings gewandelt. Im Zuge dieses Wandels haben sich viele Sportler/innen empowert, sind selbstbewusst, eigenverantwortlich und neugierig unterwegs, wollen ihren eigenen Weg finden, um selbstbestimmt und aktiv Sport zu treiben und sich auch in der Persönlichkeit weiterzuentwickeln.

Wie passt das nun aber mit der traditionellen Autorität zusammen? Kann es funktionieren, dass auch ältere Trainer/innen solch ein Lernklima schaffen und so auf Sportler/innen zugehen? Wie viel Kraft, Energie und Aufwand kostet es, in solch einem System zusammenzuarbeiten?

Die “Neue Autorität”

Die alternative und zeitgemäße Antwort darauf bietet die “Neue Autorität”! Dabei steht die Beziehung zwischen Trainer/in und Sportler/in im Vordergrund. Eine Beziehung, die klar als Verantwortungsbeziehung bezeichnet werden kann, in welcher die Rolle und Funktion eindeutig ist und individuelle, persönliche, private negative Dynamiken bestmöglich verhindert werden, um die Basis für eine funktionierende Zusammenarbeit zu schaffen.

Die Verankerung in sich selbst als Trainer/in und Führungskraft ist hierbei essentiell. Es geht nicht darum, stets den Gegenüber mit Ratschlägen und Tipps zu füttern, oder den Sportler zu behüten bzw. zu beschützen. Es geht darum, Freiräume für das Lernen zu gestalten, ein Klima der Entfaltung zu kreieren, um eigene Erfahrungen der Sportler/innen und die Persönlichkeitsentwicklung zu ermöglichen!

Sieben Säulen, die für die erfolgreiche Umsetzung wichtig sind

Selbstverständlich teilen Trainer/innen ihr Wissen, ihre Vorstellungen, ihre Ideen den Sportler/innen mit und führen – aber immer mit dem Bewusstsein, die andere Person nicht kontrollieren, nicht zwingen zu können, ohne die Integrität des Gegenübers zu verletzen! Hierbei geht es in erster Linie um Stärke und Beharrlichkeit – aber nicht etwa um Macht, Dominanz sowie Unmittelbarkeit!

In dieser Verankerung, in dieser Klarheit, ausschließlich sich selbst kontrollieren und 100%ig beeinflussen zu können, greift die Führungskraft auf die sieben Säulen der Neuen Autorität zurück, die für junge und erfahrene Trainer, Übungsleiter und Lehrer eine gute Orientierung bieten:

  1. Trainer/innen zeigen ihre Präsenz und sind in wachsamer Sorge, je nach Situation in der sich Sportler/innen befinden!

  2. Trainer/innen üben in der Verantwortungsbeziehung Selbstkontrolle über ihre Impulse, Emotionen aus, um Deeskalation zu betreiben!

  3. Trainer/innen bauen Netzwerke und Bündnisse auf, um im Team Sportler/innen zu befähigen, sich zu verbessern und ihre Leistungen zu steigern!

  4. Trainer/innen zeigen deutlich ihren Protest und gehen sprachlich wie körperlich in gewaltlosen Widerstand gegenüber unerwünschten, aggressiven, nicht förderlichen Verhaltensweisen der Sportler/innen oder anderer im Team!

  5. Trainer/innen empfinden Wertschätzung für die Sportler/innen und Mitglieder der Bündnispartner und setzen Versöhnungsgesten nach Konflikten!

  6. Trainer/innen ist die Transparenz hinsichtlich Regeln, Entscheidungen, Konsequenzen u.a.m. innerhalb der Netzwerke wichtig!

  7. Trainer/innen fördern Wiedergutmachungsprozesse, um die Zusammenarbeit aller Beteiligten bestmöglich zu gestalten!

Fazit

Wichtig: Die Idee der Neuen Autorität versteht sich nicht als Allheilmittel. Sie ist aber ein spannendes Konzept mit vielen Methoden und Interventionsmöglichkeiten!

Die Idee der Neuen Autorität ist es wert, offen aber auch kritisch über sie nachzudenken und sie in der Praxis umzusetzen!

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Prof. Dr. Oliver Stoll
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