Dr. René Paasch: Resilienz im Fußball

Es gibt Sportler, die nichts aus der Bahn zu werfen scheint. Sie verzweifeln nicht an sportlichen Niederlagen oder medialen Aussagen, sondern wachsen sogar daran. Was unterscheidet diese Sportler von denjenigen, die mit Rückschlägen oder verlorenen Spielen hadern und manchmal sogar daran zerbrechen? Das Wort lautet Resilienz: Manche Menschen sind immun gegen Angriffe von außen. Haben solche Stehaufmännchen einfach Glück gehabt, weil ihnen diese hilfreiche Fähigkeit in die Wiege gelegt wurde, oder kann jeder lernen, resilient zu sein?

Zum Thema: Lässt sich Resilienz im Fußball trainieren?

Der Begriff Resilienz kommt aus dem lateinischen resilire, was „zurückspringen“ bedeutet. Ursprünglich wurde der Begriff in der Physik für die Eigenschaft von Werkstoffen verwendet, die sich verformen lassen und dennoch in ihre alte Form zurückfinden (z.B. Schaumstoff) (Scharnhorst, 2012). Sie ist die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche, sportliche und sozial vermittelte Ressourcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen, ohne sich dabei grundlegend zu ändern (Newman 2009, S.6). Mit Resilienz eng verwandt sind Salutogenese, Widerstandsfähigkeit, Bewältigungsstrategie und Selbsterhaltung. Resiliente Sportler/innen besitzen somit eine seelisch hohe Widerstandskraft und Beweglichkeit und sind deswegen psychisch immun gegen die Angriffe des Leistungssports. Die wesentlichen Faktoren, die Resilienz beeinflussen, sind personale Faktoren, Umwelteinflüsse und Prozessfaktoren. Zu den Umweltfaktoren gehören die Unterstützung durch die Familie, seine Kultur oder die sportliche Gemeinschaft. Zu den personalen Faktoren gehören kognitive (z. B. Intelligenz, Deutungs- und Sinngebungsmodelle der Realität) wie auch emotionale, also z.B. seine Fähigkeit, Emotionen und Handlungen zu kontrollieren, die Toleranz für Ungewissheit, Beziehungen aktiv gestalten zu können oder die aktive Einstellung zu Problemen. Zu den Prozessfaktoren gehören u.a. die wahrgenommenen Perspektiven, die Akzeptanz des Unveränderbaren und die Konzentration aller Energien auf die zu bewältigenden und entwickelten Strategien.

Der Resilienz gegenüber steht die sogenannte Vulnerabilität – die besondere Verwundbarkeit eines Sportlers bzw. Sportlerin gegenüber negativen Einflüssen. Vulnerable Sportler/innen sind sensibel und werden besonders leicht durch negative Ereignisse und Ergebnisse verletzt und herunter gezogen.

Merkmale für Resilienz

Resilienz erzeugt eine ganz spezielle Einstellung zum Leben und Sport, die mir bei Leistungskickern/innen immer wieder auffallen:

  • Sie haben ihr Schicksal selbst in der Hand: Sie sehen Misserfolge als Zufälle und Erfolge als Ergebnis Ihrer Bemühungen.
  • Sie besitzen ein starkes Selbstwertgefühl. Unabhängig von Erfolgen halten sie sich für einen wertvollen Spieler bzw. Spielerin und Menschen.
  • Sie haben ein klares Ziel vor Augen und verfolgen dieses akribisch – bis zur Zielerreichung.
  • Sie sehen Schwierigkeiten, Krisen und Probleme als Herausforderung und Chance für Wachstum.
  • Auch in schwierigen Zeiten bleiben sie ruhig, realistisch und optimistisch.
  • Sie haben einen unerschütterlichen Glauben an die eigenen Fähigkeiten und sind in der Lage, auch das Negative in ihrem Leben zu akzeptieren.

In mehreren Untersuchungen konnten sechs personenbezogene Resilienzfaktoren identifiziert werden (Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2014):

  • Selbstwahrnehmung, um seine Stärken und Schwächen einzuschätzen,
  • Selbststeuerung, um auf Emotionen und Spannungen angemessen zu reagieren,
  • Selbstwirksamkeit, für Vertrauen und Zuversicht in sich selbst, die belastende Situation bewältigen zu können,
  • soziale Kompetenz, um soziale Konflikte lösen zu können,
  • Bewältigungskompetenzen, im Umgang mit Stress,
  • Problemlösen, um in schwierigen Situationen Entscheidungen zu treffen.

Einfacher Selbsttest zum Ausprobieren

Die neuere Resilienzforschung geht davon aus, dass Resilienzfaktoren nicht angeboren oder genetisch bedingt sind. Personen entwickeln Resilienz, indem sie sich mit Problemen und Schwierigkeiten ihrer Umwelt auseinandersetzen. Damit ist Resilienz nicht als statisches Körpermerkmal zu sehen, sondern als dynamischer Anpassungs- und Entwicklungsprozess. Resilienzfaktoren können daher in jedem Lebenszyklus erworben und gelernt werden (Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2014).

Dr. Michele Ufer: Gestärkt aus der Krise kommen

Sie können die nun folgenden Punkte als eine Art Selbsttest verstehen. Je öfter Sie bei den unteren Aussagen zustimmen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass auch Sie zu den resilienten Sportlern/innen zählen:

  • Ich habe gute Teamkollegen, Freunde und ein intaktes soziales Umfeld, auf die ich mich auch in schwierigen Situationen verlassen kann.
  • Wenn mal etwas nicht klappt, versuche ich es einfach noch einmal.
  • Ich sorgen für mein Glück und Zufriedenheit, das ist mein Lebensmotto.
  • Ich weiß um meine Stärken und bin zufrieden mit mir.
  • Ich bin selbst unter Stress noch leistungsfähig und kann gut mit Druck umgehen.
  • Ich glaube selbst in schwierigen Zeiten daran, dass sich alles zum Guten wenden wird.
  • Bei Problemen suche ich aktiv nach einer Lösung.

Fazit:

Resilienz ist heute so wichtig für uns, weil wir uns mehr denn je ständig an neue Situationen im Leistungssport anpassen müssen. Diejenigen, die resilient sind, können Veränderungsprozesse besser meistern.  Sie sehen in jeder Krise die Chance auf Veränderung.

Thorsten Loch: Richtiges Handeln in der Krise

Literatur

  1. 1. Newman (2009): Resilient Cities: Responding to Peak Oil and Climate Change, Washington.
  2. Scharnhorst, J. (2012): Burnout. Präventionsstrategien und Handlungsoptionen für Unternehmen. 1. Auflage. Freiburg
  3. Fröhlich-Gildhoff, K./Rönnau-Böse, M. (2014): Resilienz. 3. Auflage. München

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Prof. Dr. René Paasch
Prof. Dr. René Paaschhttp://www.die-sportpsychologen.de/rene-paasch/

Sportarten: Fußball, Segeln, Schwimmen, Handball, Volleyball, Hockey, Eishockey, Tennis

Gelsenkirchen, Deutschland

+49 (0)177 465 84 19

E-Mail-Anfrage an r.paasch@die-sportpsychologen.de

2 Kommentare

  1. […] Tatsächlich geht es bei der Trauer nicht darum, etwas hinter sich zu lassen oder abzulegen wie einst die schwarze Kleidung nach dem Trauerjahr. Als Prozess dient sie dazu, den Schmerz zu verarbeiten. Das kann schneller gehen oder mag auch langsamer gelingen. Die Zeit sollte kein Kriterium sein, da jeder anders trauert. Wichtig ist allein, dass der Hinterbliebene den Blick dabei nach innen richtet, den Verlust akzeptiert, die Beziehung zum Verstorbenen verändert und dadurch wieder nach vorne schauen kann. Besonders gut gelingt das Menschen, die über genügend Resilienz verfügen. So bezeichnet man die seelische Widerstandskraft, die selbst in schwierigen Situationen Halt gibt. Resiliente Menschen können sich neuen Umständen gut anpassen. Sie erstarren nicht dauerhaft in ihrer Trauer, sondern stellen nach einer Weile die emotionale Balance wieder her. Näheres dazu: http://www.die-sportpsychologen.de/2017/07/07/dr-rene-paasch-resilienz-im-fussball/. […]

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