Miriam Kohlhaas: Betroffen von Perfektion?

Das Gespräch für den Insiderbericht zu Niklas Römer (Link zum Beitrag), einen der besten Wide Receiver Deutschlands, hat mich wirklich tief beeindruckt. Selten habe ich so einen fokussierten und – gerade bezogen auf die Sportpsychologie – autodidaktisch begabten Sportler getroffen. Eines ist mir bei meinem Besuch bei Niklas‘ Familie völlig klar geworden: Seine sportlichen Anlagen hat er definitiv in die Wiege gelegt bekommen! Sowohl seine Mutter, als auch sein Vater sind beide durch und durch Sportler. Aber diese Medaille hat natürlich zwei Seiten.

Zum Thema: Perfektionismus als Triebfeder und Stolperstein

Seine Mutter erzählte mir davon, wie sie eines Tages zu Niklas meinte, dass alle anderen Kinder in der Nachbarschaft schon Fahrrad fahren können, nur er nicht. Es dauerte fünf Minuten bis Niklas nach draußen lief, sich auf sein Fahrrad schwang und erst wieder herein kam, als er es konnte. Ich erfuhr von noch so viel mehr Beispielen, sei es das Erlernen des Gitarre- oder Keyboardspielens, bei denen Niklas sich durch seinen ausgeprägten Willen so lange mit der Thematik befasste, bis er die Technik geknackt hatte.

Seine Familie erzählte mir eine Geschichte, die, wie ich finde, sehr gut beschreibt, wer Niklas Römer, einer der Topspieler des deutschen Serienmeisters New Yorker Lions, eigentlich ist. Die Geschichte handelt von einem Zauberwürfel. Diesen hatte er vor einigen Jahren kurz vor Weihnachten zufällig bei seiner Familie gefunden. Er probierte und probierte, las sich Anleitungen durch und schaute sich die ganze Nacht Videos im Internet dazu an, bis er ihn endlich lösen konnte, erst dann konnte er schlafen. Als sein Bruder sah, wie viel Spaß ihm dieser Würfel machte, bestellte er am nächsten Tag einen für ihn im Internet. Als am gleichen Tag plötzlich zwei Pakete die Familie erreichten, waren alle beteiligten verwirrt. Es stellte sich heraus, dass auch Niklas sich längst selbst einen Würfel bestellt hatte.

Alles wird zum Wettbewerb

Aber ich traf auch auf Familienmitglieder, die erzählten, wie anstrengend es manchmal ist, neben einem solch ehrgeizigen Menschen zu stehen. Wie es ist, mit ihm einen gemütlichen Bowlingabend zu planen, um die gemeinsame Zeit zu genießen und Niklas mit einem völlig anderen Ziel mit kommt – er möchte auch hier gewinnen. Dass sie ihm für seine Zukunft wünschen, dass er lernt in solchen Momenten loszulassen und sich drauf einlassen zu können, neue Ziele zu finden, als immer einen Wettbewerb.

Aus sportpsychologischer Sicht ist das natürlich spannend und ein Ansatzpunkt für eine konkrete Zusammenarbeit: Allerdings machte ich in unseren bisherigen Gesprächen die Feststellung, dass Niklas einen guten Weg gefunden hat, stark negative Gedanken bei nicht Erreichung seiner Ziele aktiv zu beseitigen.

Angst und Selbstzweifel

Diese negativen Gedanken wie Angst und Selbstzweifel zwingen sich bei dieser Persönlichkeitsdisposition oft auf und sind damit die größte Schwierigkeit für den “Betroffenen”. Aber dies muss, allen voran im Kontext Sport, nicht immer nur negative Auswirkungen haben, wie prominente Beispiele auch aus anderen Sportarten zeigen:

Prof. Dr. Oliver Stoll: Cristiano Ronaldo – Gefangen im Perfektionismus?

Konkret würde ich mit Niklas an verschiedenen Entspannungstechniken arbeiten. Ich denke es ist wichtig, sich aktiv Ruhe zu gönnen und auch im Freizeitsport zu lernen, sich aktiver zur Gelassenheit zu steuern. Hierzu würde ich ihm besonders die progressive Muskelrelaxation, Autogenes Training sowie Meditation empfehlen und einüben.

Welche Schwächen eigentlich?

Aber zurück an den “Küchentisch” von Niklas` Familie: Ich hörte zu, wie seine Mama davon erzählt, wie unfassbar stolz sie auf ihren Sohn ist und wie nah sich die beiden doch sind, trotz der enormen Entfernung. Nicht zu vergessen sein Bruder, der verdammt lange überlegen musste, was eigentlich “Schwächen” seines Bruders sind.

Letztendlich möchte ich euch, liebe Römers, danken, dass ihr mich an diesem Tag bei euch so tief habt blicken lassen in eure Familie und eure gemeinsame Geschichte. Auch, wenn es so viele sehr private Geschichten waren, viel zu privat, als dass ich sie in diesem Artikel verwenden würde, so habe ich doch die Chance bekommen, diesen Niklas Römer verdammt viel besser kennen zu lernen und zu verstehen. Ich bin überzeugt, dass der Blick auf seinen Weg viele von uns weiterbringen kann:

Also, all ihr fantastischen Sportler da draußen, all ihr wundervollen Receiver: Nun kennt ihr den Weg zu eurem Ziel – macht euch auf den Weg dorthin:

Niklas Römer: Look good – feel good – play good (Warum fragen wir nicht einfach die Besten? Episode 1)

Literatur:

– Vopel, Klaus (2010). Mentales Training: Visualisierung und Trancetechniken im Sport. Iskopress Verlag

– Aellig, Steff (2004). Über den Sinn des Unsinns: Flow Erleben und Wohlbefinden als Anreize für autotelische Tätigkeit: eine Untersuchung mit der experience sampling method (ESM) am Beispiel des Felskletterns. Waxmann Verlag

– Lindemann, Hannes. 2004. Autogene Training: Der bewährte Weg zur Entspannung. Goldmann Verlag

– Hainbuch, Friedrich. 2014. Progressive Muskelentspannung. Gräfe und Unzer Verlag GmbH

– Mannschatz, Maria. 2015. Meditation: Mehr Klarheit und innere Ruhe. Gräfe und Unzer Verlag GmbH

 

 

 

 

 

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Miriam Kohlhaas
Miriam Kohlhaashttp://www.die-sportpsychologen.de/miriam-kohlhaas/

Sportarten: American Football, Fußball, Basketball, Handball, Baseball uvm.

Haan, Deutschland

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