Dr. René Paasch: Selbstvertrauen im Fußball

Unter Huub Stevens-Nachfolger Julian Nagelsmann werden Fabian Schär, Mark Uth und Andrej Kramaric zu Leistungsträgern (rnz.de) der TSG Hoffenheim. Ihre Entwicklung hat unter anderem mit Selbstvertrauen zu tun. Die Frage, die auf Basis des Beispiels für viele Fußballer und Trainer interessant sein kann, lautet also: Lässt sich Selbstvertrauen „trainieren“? Ich nehme diesen Ball auf und erkläre anhand von praxisrelevanten Tipps, wie Fußballer/innen ihr Selbstvertrauen verbessern können.

Zum Thema: Was ist Selbstvertrauen und wie kann ich dieses verändern?

Das Selbstvertrauen ist im Leistungssport Fußball die zentrale Größe, die dazu beiträgt, dass Trainer und Athleten ihre Leistung zum geforderten Zeitpunkt abrufen können. Das Konzept des Selbstvertrauens oder auch die „Selbstwirksamkeit“ stammt aus der sozial-kognitiven Lerntheorie von Albert Bandura (1986). Selbstvertrauen bedeutet, dass jemand die Überzeugung besitzt, dass seine eigenen Fähigkeiten ausreichen, um eine Handlung zielgerichtet und erfolgreich durchführen zu können. Dies wurde mehrfach im Sport nachgewiesen (Barling & Abel, 1983; Lee, 1982; Eberspächer, 2007, 2008; Hermann, 2006; Short et. al., 2005).

Aus den Studien lässt sich ableiten, dass das Konzept des Selbstvertrauens der wichtigste Punkt für die kontinuierliche Leistung ist. Erst ein über Jahre hinweg aufgebautes Selbstvertrauen, lassen den Trainer und Sportler Souveränität ausstrahlen. Beim Selbstvertrauen handelt es sich um einen Personenbezug, der als situativer, zeitlich variabler Zustand verstanden werden kann. Selbstvertrauen kann sich jedoch auch in bestimmten Umständen zeigen. Wenn in verschiedenen Lebensbereichen Selbstvertrauen ausgestrahlt wird, z. B. in der Freizeit und im Sport, dann sprechen wir von einem dispositionales Selbstvertrauen. Selbstvertrauen kann sich jedoch auch in bestimmten Situationen zeigen. Dies bezeichnet man als situatives Selbstvertrauen. Fußballer/innen z.B. erwecken normalerweise den Eindruck, dass sie ein großes dispositionales Selbstvertrauen haben. Wenn ihr Team im Entscheidungsspiel ins Elfmeterschießen muss, kann ihr situatives Selbstvertrauen jedoch plötzlich sinken. Auch das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, mit eigenen Fehlern und Misserfolgen umgehen zu können, richtet unseren Blick auf das wesentliche des sportlichen Wettkampfes.

Zu geringes und zu hohes Selbstvertrauen

Fußballer/innen mit wenig Selbstvertrauen beschäftigen sich eher mit ihren Schwächen, anstatt sich auf ihre Stärken zu besinnen. Sie denken häufig über die Konsequenzen des Wettkampfes nach (Lageorientierung: Was wird die Presse über mich schreiben oder was denkt der Trainer oder die Zuschauer von mir u.v.m.). Die Handlungsfähigkeit- und orientierung wird dadurch gestört und die individuellen Fehler steigen.

Die andere Seite wäre dann ein überhöhtes Selbstvertrauen. Dies wäre eine Überschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit. Um ein optimales Selbstvertrauen aufzubauen, braucht man eine gute Eigen- und Fremdwahrnehmung, Erfahrungen, stellvertretende Erfahrungen, handlungsförderliche Selbstgespräche, konditionelle Fähigkeiten, regelmäßige Rückmeldungen des Trainers und den nötigen Respekt vor jeder gegnerischen Mannschaft. Demgegenüber ist das kollektive Selbstvertrauen, also die Überzeugung jedes einzelnen Mannschaftsmitglieds, eine Aufgabe zusammen bewältigen zu können. In diesem Zusammenhang zeigt eine Studie an zehn Football-Teams, dass die Teamüberzeugung einen nachhaltigen Zusammenhang hinsichtlich erzielter Leistungen aufweist (Feltz, Short, Sullivan 2008).

Führungsperson ist wichtiger Schlüssel

Wie ist es nun möglich, individuelle Kompetenzen zu bündeln und daraus kollektive Kompetenzen einer Mannschaft zu entwickeln? Feltz, Short und Sullivan (2008) benennen dazu folgende Punkte: Zusammenhalt innerhalb einer Mannschaft, das Klima im Team, Umgang miteinander, behutsame und zurückhaltende Steuerung und Moderation dieses Prozesses durch die Führungsperson. Diese und andere Beispiele zeigen sehr deutlich, dass das individuelle und kollektive Selbstvertrauen, eine zentrale Rolle spielt, für erfolgreiches situatives Agieren. Weitere praktische Anregungen zur Steigerung des Selbstvertrauens finden über die beiden folgenden im text hervorgehobenen Links:

Sebastian Reinold: Haben auch Trainer Gefühle?

Erklärungsmuster

Die Erwartungen auf zukünftige Erfolge bzw. Misserfolge sind auch geprägt von persönlichen Erklärungsmustern bzw. Ursachenzuschreibungen (Weiner, 1996). Entscheidend für das Selbstvertrauen sind nicht die objektiven Ursachen für einen Sieg oder eine Niederlage, sondern die eigenen Erklärungen für die Ursachen der Erfolge bzw. Misserfolge. Es werden vier Erklärungsmuster unterschieden, die sich aus den beiden Faktoren Kontrolle und Stabilität ergeben. Bei dem Faktor Kontrolle können Erfolge und Misserfolge auf äußere Umstände (z.B. schlechte Schiedsrichterleistung) oder auf das eigene Handeln (z.B. schlechte körperliche Verfassung) zurückgeführt werden (externale vs. internale Kontrolle). Im Bereich der Stabilität können die Ursachen bei zeitlich veränderlichen Einflüssen (z.B. Zufall oder Pech) oder bei stabilen Faktoren (z.B. fehlendes Talent) gesucht werden. Das Selbstvertrauen wird dadurch begünstigt, wenn Erfolge auf eigene Fähigkeiten (stabil-internale Ursachenzuschreibung) und Misserfolge auf die äußeren Zustände (variabel-externale Ursachenzuschreibung) zugewiesen werden.

Besonders schwierig für das Selbstvertrauen ist es, wenn man seine Misserfolge den stabilen internalen und die Erfolge den variablen externalen Faktoren zuschreiben. Fußballer/innen mit solchem Erklärungsmuster sind in der Regel von einem schwachen Selbstwertgefühl geprägt. Aber: Die inneren Einstellungen und die damit verbundenen Ursachenzuschreibungen sind nicht angeboren (und das ist die gute Nachricht), sondern wir erlernen sie im Laufe unserer Entwicklung. Das sportliche Umfeld ist somit ein prägendes Lernumfeld. Und deshalb können Trainer und Mannschaftskollegen ihnen helfen, förderliche Erklärungen für Leistungen zu lernen.

Das Phänomen  „Selbstbehinderung“

Eine weitere mögliche Konsequenz persönlicher Erklärungsmuster ist das Phänomen  „Selbstbehinderung“ (Chen, Lin, Kee, Shui, 2009). Bei der Selbstbehinderung handelt es sich um ein Verhalten, das eigene Leistung untergräbt, um später eine Ausrede für die Niederlage zu haben. Selbstbehinderndes Verhalten ist eine Folge des Misserfolgs, um ein eventuelles Versagen dann auf diese Leistung zurückführen zu können. Das Versagen kann also der Selbstbehinderung zugeschrieben werden und die Selbstachtung bleibt geschützt.  Achten Sie immer wieder mal auf die Aussagen Ihrer Schützlinge. Sie werden überrascht sein, was Ihre Spieler/innen für Selbstbehinderungen an den Tag legen.

Dr. René Paasch: Selbstwirksamkeit im Fußball

Fazit:

Dieser Beitrag sollte Sie bestärken, ihre Spieler/innen in ihrem Selbstvertrauen voranzubringen. Viele Hindernisse existieren in den Köpfen ihrer Spieler/innen. Das ist der Ort, wo Sie  eingreifen können und sollten. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Selbstvertrauen zu stärken, angefangen von individuellen Erklärungsmuster, eigene Erfahrungen, Erkennung von inneren Gespräche und vielen mehr. Starten Sie heute noch mit dem Training und stärken Sie ihre Mannschaft.

 

Literatur

  1. Bandura, A. (1986). Social foundations of thought and action: A social cognitive theory. Englewood Cliffs, NJ: Prentice–Hall.
  2. Barling, J., & Abel, M. (1983). Self-efficacy beliefs and tennis performance. Cognitive Therapy and Research, 7, 265-272.
  3. Cheek, J. M. & Hogan, R. (1983): Self-concepts, self-presentations, and moral judgements. In
  4. Chen, L. H., Chen, M., Lin, M., Kee, Y. & Shui, S. (2009): Fear of failure and selfhandicapping in college physical education. Psychological Reports, 105, 707-713.
  5. Eberspächer, H. (2007). Mentales Training. Das Handbuch für Trainer und Sportler. 7. durchgesehene Neuauflage. München: Copress.
  6. Eberspächer, H. (2008). Gut sein, wenn´s drauf ankommt. Erfolg durch Mentales Training. 2. überarbeitete Auflage. München: Carl Hanser.
  7. Feltz, D. L.; Short, S. E.; Sullivan, Ph. J. (2008): Self-Efficacy in Sport. Champaign: Human Kinetics.
  8. Hermann, H.-D. (2006). Psychische Belastungsreaktionen im leistungsorientierten Fußball – Übersicht und Trainingsmöglichkeiten. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 57 (5), 138- 141.
  9. Suls & A. G. Greenwald (Hrsg.), Psychological perspectives on the self (S. 249-273). Hillsdale: Erlbaum.
  10. Lee, C. (1982). Self-efficacy as a predictor of performance in competitive gymnastics. Journal of Sport Psychology, 4, 405-409.
  11. Short, S. E., Tenute, A. & Feltz, D. L. (2005). Imagery use in sport: Mediational effects for efficacy. Journal of Sport Sciences, 23(9), 951-960.
  12. Stoll, O., Pfeffer, I. & Alfermann, D. (2010). Lehrbuch Sportpsychologie. Bern: Hans Huber Verlag.
  13. Weiner, B. (1996): An attributional theory of motivation and emotion. Springer, New York 1986

Internet:

http://www.rnz.de/sport/1899hoffenheim_artikel,-Fussball-hat-sehr-viel-mit-Selbstvertrauen-zu-tun-_arid,185262.html

 

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Prof. Dr. René Paasch
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