Dr. Konrad Smolinski: Sportpsychologie im Triathlon

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Konrad Smolinski

Als Dipl. Sportwissenschaftler, mit Promotion in der Sportpsychologie, betreue ich seit mehr als einem Jahrzehnt Athleten jeder Leistungsklasse. Meine Stärke ist mein interdisziplinärer Zugang und die langjährige Erfahrung sowohl im Fitness- und Gesundheitsport als auch im Leistungssport. Zu den Schwerpunkten meiner Betreuung zählen neben einer maßgeschneiderten Trainingsplanung, individuelle Personaltrainings und sportartspezifische Beratung. Zu meinen Kunden zählen u.a. Triathleten, Läufer, Radsportler und Motocrossfahrer.

Zum Thema: IRONMAN Hawaii – seit 1978 Mythos, Faszination und Leidenschaft

„2.6 miles swim – 112 miles on the bike and a marathon, whoever will reach the finishline first, we’ll call him the Ironman!“

Der Überlieferung nach soll der Marineoffizier John Collins diesen Leitgedanken an seine Sportfreunde gerichtet haben, nachdem sie gemeinsam beschlossen hatten, die drei bekanntesten Ausdauerwettkämpfe der pazifischen Inselgruppe in einem Rennen zu vereinen. Hierfür kombinierten sie die Originalstrecken des „Waikiki Rough Water Swim“, des „Around Oahu Bike Race“ sowie des „Honolulu Marathon“. Was damals 1978 auf der hawaiianischen Insel Oʻahu als eine Art „Stammtischwette“ bzw. „Imagegehabe“ zwischen Männern begann, hat eine Sportart hervorgerufen, welche in ihrer Komplexität und Faszination einzigartig ist.

Die Erstaustragung des Ironman Hawaii im Jahr 1978, mit überschaubaren 15 männlichen Teilnehmern, löste den Startschuss für eine neue Sportart, ja ich behaupte sogar, für eine neue Lebensphilosophie aus. Seit 1982 wird der Ironman Hawaii alljährlich am zweiten Samstag im Oktober, unter der eingetragenen Marke „Ironman World Championship“ auf Big Island ausgetragen. Nicht nur die Profiathleten, sondern vor allem die „Agegrouper“, die neben Familie, Beruf und weiteren Verpflichtungen, die Strapazen des ältesten und bestbesetzten Langdistanztriathlons der Welt meistern, machen den Reiz dieser Veranstaltung aus. Für das Bewältigen der Wettkampfstrecke benötigen die weltbesten Profis um die acht Stunden, während die Altersklassen-Athleten bis zu 17 Stunden Zeit haben, um die Ziellinie auf dem legendären „Alii Drive“ zu überqueren. Viel hat sich seit den Erstaustragungen nicht verändert. Noch immer gilt es, am Wettkampftag der Distanz von 226km mit der höchstmöglichen physischen und mentalen Fitness entgegenzutreten um die brutalen klimatischen Bedingungen der hawaiianischen Insel bewältigen zu können.

„Das Beste ist die Energie dieses Rennens. Die Energie der Leute, die in diesem Rennen unterwegs sind, ist einfach unwirklich. Aber auch die Energie dieser Insel spürst du, sie lebt unter deinen Laufrädern und unter deinen Laufschuhen. Du kannst das während des gesamten Rennens spüren.“ (Boch, 2011, S. 269).

Der Wettkampf ist gekennzeichnet durch eine über weite Strecken vorherrschende Einsamkeit sowie extreme klimatische Bedingungen. Es sind die Wellen des Pazifiks, die „Mumuku-Winde“ – die unvorhersehbaren böigen Seitenwinde die mit Geschwindigkeiten von bis zu 80 km/h über die Insel fegen – sowie die extremen Temperaturen in der Lavawüste, die diese Sportveranstaltung so einzigartig machen.

Einer der aus eigenen Erfahrungen weiß, wovon ich hier schreibe, ist übrigens Prof. Dr. Oliver Stoll, der den Ironman Hawaii bereits als Teilnehmer erfolgreich bewältigen konnte und dieses Erlebnis, neben der Teilnahme am 100km-Lauf von Biel, als seinen bisher größten sportlichen Erfolg wertet.

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Andererseits sind es die legendären Sportduelle wie die von Mark Allen gegen Dave Scott oder auch Chris McCormack gegen Andreas Raelert, sowie das „Krabbelduell“ Wendy Ingraham gegen Sian Welch, die den Ironman Hawaii zum „Mekka“ des Ausdauersports haben werden lassen.

Sportpsychologische Forschung

„In der Leistungsspitze entscheidet 80 % der Kopf, glaubt Andreas Raelert. Als er nach eigenen Angaben 2010 etwa 6-7 Kilometer vor dem Ziel auf den führenden Chris McCormack auflief, glaubte er, das Rennen gewonnen zu haben, zumal er aus Erfahrung davon ausging, dass er der bessere Sprinter sei. Als sich dann allerdings Chris McCormack doch wieder von ihm entfernte, begannen die Zweifel und der bis dahin so feste Glaube an den Sieg bröckelte dahin“ (Pöttgen, 2013, S. 97).

Es sind Athletenaussagen wie diese, die bereits frühzeitig das Interesse der Forscher aus Sportpsychologie bzw. Sportwissenschaft für den Triathlonsport und den Ironman weckten. Studien zu kritischen Situationen und dem Bewältigungsverhalten von Kurzdistanztriathleten wurden u.a. von Schlicht, Meyer und Janssen (1990a,b) und Ziemainz (1997, 1999) durchgeführt. Mit der Spezifik der Langdistanz (Ironman) befassten sich u.a. Blaue (2012), Smolinski (2007, 2015) und Schücker, Heil, Brand und Hagemann (2014). Theoretische Grundlage für die meisten der hier aufgeführten Studien bildete im Wesentlichen das kognitiv-transaktionale Stressmodell von Lazarus und Launier (1981), welches den Stressprozess als Interaktion zwischen Mensch und Umwelt darlegt. Bedeutend ist hierbei die subjektive Bewertung einer Person, ob die jeweilige Mensch-Umwelt-Beziehung als herausfordernd, bedrohlich oder schädigend eingeschätzt wird. Hieraus ergeben sich verschiedene Bewältigungsformen, welche im Allgemeinen einen problemorientierten oder emotionszentrierten Charakter aufweisen (Lazarus & Folkman, 1984).

Motivationale und emotionale Aspekte im Langdistanztriathlon

In einer eigens durchgeführten Studie (Smolinski, 2007) wurden in der Wettkampfwoche des Ironman Hawaii 2005 weibliche und männliche Langdistanztriathleten hinsichtlich ihrer Teilnahmemotivation befragt. Aus den Ergebnissen der Fragebogenerhebung gingen das Erleben von Spaß und Freude, das ganzheitliche Training und der Erhalt von Fitness und Gesundheit als bedeutende Ausübungsmotive für den Triathlonsport hervor. Für eine Teilnahme am Ironman Hawaii sprechen laut der Befragungspersonen insbesondere der Weltmeisterschaftsstatus und die einzigartige Atmosphäre dieser Veranstaltung.

Blaue (2012) untersuchte ausgewählte emotionale Aspekte anhand einer Fragebogenerhebung mit 62 männlichen und 14 weiblichen Langdistanztriathleten. Die Ergebnisse konnten zeigen, dass das Freudeerleben in der Endphase des Wettkampfs, speziell beim Zieleinlauf, die höchste Ausprägung erfuhr. Auch konnte festgestellt werden, dass die Freude jeweils zum Ende einer Einzeldisziplin stark anstieg. Hingegen löste ein Raddefekt, das Gefühl nicht optimal vorbereitet zu sein und krampfende Muskulatur beim Schwimmen ein höheres Unsicherheitsempfinden aus. Die höchste Ausprägung von Unsicherheit zeigte sich kurz vor dem Schwimmstart. Die Studienergebnisse zeigen auch, dass das Unsicherheitserleben mit dem weiteren Verlauf des Wettkampfs immer weiter sinkt, bevor es zu Beginn des Marathonlaufs nochmals ansteigt und mit Übertreten der Ziellinie völlig verloren geht. Grundsätzlich zeigten die Langdistanztriathleten ein vergleichsweise geringes Unsicherheitserleben während des Wettkampfs.

Aufmerksamkeitslenkung

In einer weiteren Studie untersuchten Schücker, Heil, Brand und Hagemann (2014) die Aufmerksamkeitslenkung von Langdistanztriathleten. Hierfür wurden 72 männlichen und 19 weiblichen Triathleten, welche alle an den Ironman-Weltmeisterschaften 2009 teilnahmen, mittels eines speziell hierfür entwickelten Fragebogens zum Aufmerksamkeitsfokus während des Schwimmens, Radfahrens und Laufens befragt. Der Fragebogen umfasste 10 Items, 5 Items zum externalen Fokus (Gegner, abschweifen mit den Gedanken, Taktik, nachfolgende Disziplin, Umwelt) und 5 Items zur internalen Aufmerksamkeitsausrichtung (richtige Technik, Schmerzen im Zusammenhang mit Ermüdung, spezielle Körperempfindungen wie Atmung und Herzfrequenz, persönliche Gefühle und Emotionen, Geschwindigkeit). Aus den Ergebnissen ging hervor, dass sich die Hawaii-Starter in den meisten Fällen nicht konsequent auf eine Art der Aufmerksamkeitsausrichtung festlegten, sondern vielmehr einen häufigen, flexiblen und phasenbezogenen Wechsel zwischen interner (z.B. Körperempfinden, Technik oder Tempo) und externer (z.B. Gedanken schweifen lassen, die Gegner oder die Umgebung beobachten) Aufmerksamkeitsausrichtung praktizierten. Der Vergleich zwischen Athleten mit niedrigerem und höherem Leistungsniveau konnte zeigen, dass die leistungsschwächeren „Langdistanzler“ während der 180 km Radfahren häufiger einfach ihre Gedanken schweifen ließen und sich weniger auf die zuvor geplante Renneinteilung konzentrierten als die leistungsstärkeren Triathleten. Die leistungsschwächeren Athleten visualisierten häufiger, wie sie die Ziellinie überquerten. Zusammenfassend konnte diese Studie zeigen, dass Langdistanztriathleten höchst unterschiedliche und sehr spezielle Aufmerksamkeitsstrategien nutzten, welche sich erheblich durch das Leistungsniveau unterschieden.

Analyse der psychischen Belastungsbewertung und Belastungsbewältigung von weiblichen und männlichen Langdistanztriathleten

Im Rahmen einer eigenen Untersuchung (Smolinski, 2015) wurden zwei Teilstudien zur Analyse der Belastungsbewertung und Belastungsbewältigung von Langdistanztriathleten durchgeführt. In der Teilstudie 1 wurden 101 Sportler (23 weiblich, 78 männlich) mittels eines neu konzipierten und an die methodisch-inhaltsanalytischen Besonderheiten der Sportart angepassten Fragebogens analysiert. Für die Teilstudie 2 wurden leitfadengestützte Interviews mit 14 Langdistanztriathleten (5 weiblich, 9 männlich) durchgeführt. Nachfolgend sollen einige ausgewählte Ergebnisse dieser umfangreichen Untersuchung zusammengefasst dargestellt werden.

Belastungsbewertung

Die Ergebnisse aus der Fragebogenanalyse konnten zeigen, dass die Phase 35 bis 40 km während des abschließenden Marathonlaufs von den weiblichen und männlichen Langdistanztriathleten am belastendsten wahrgenommen wurde. Des Weiteren gingen die ersten 500 m der Schwimmstrecke sowie der Laufabschnitt von 30 bis 35 km mit einer vergleichsweise hohen Belastungsbewertung hervor. Weniger belastend wurden hingegen die Phasen 30 Minuten bis 2 Stunden nach dem Ironman, 2 bis 4 Wochen nach dem Wettkampf sowie 4 bis 6 Wochen nach einem Ironman empfunden.

Eine plötzlich auftretende Verletzung während des Trainings stellte die Situation mit der insgesamt höchsten Belastungsbewertung dar. Ähnlich belastend empfanden die Athleten eine schwere Verletzung nach dem Beenden einer Langdistanz, einen Sturz während des Radfahrens und eine unfreiwillige krankheitsbedingte Trainingspause. Auch wurden die Situationen eines Reifendefekts während des Radabschnitts und das vom Gegner „Überschwommen“ werden während des Schwimmteils als sehr kritisch angesehen.

Aus den inhaltsanalytisch ausgewerteten Aussagen der Interviews ging hervor, dass die Vorbereitung auf einen Langdistanztriathlon (Ironman), mit dem meist sehr umfangreichen Training und der daraus oft resultierenden Vernachlässigung der Familie und des sozialen Umfelds (aufgrund von Zeitmangel und fehlender Energie) belastend sei. Einige Athleten zeigten Unsicherheiten hinsichtlich ihres Trainingsumfangs und des eigenen Leistungsstands. Ebenfalls waren Stimmungsschwankungen und Motivationsprobleme während der Trainingsphase ein Thema.

Für den Wettkampf selbst zeigte sich während des Schwimmens vor allem der Start und die ersten 500m als große Herausforderung. Situationen die während des Schwimmens für hohes Belastungsempfinden bei den befragten Langdistanztriathleten sorgten waren: vom Gegner „überschwommen“ werden, Fußtritte und Schläge während der Startphase und das in einer Gruppe eingeklemmt sein. Einige Athleten verwiesen auf Probleme mit der Schwimmbrille, wie beispielsweise Beschlagen oder das Eindringen von Wasser.

Aus der Sicht der befragten Langdistanztriathleten wurden im Hinblick auf die Belastungsbewertung während des Radfahrens die Situationen von schnelleren Konkurrenten überholt zu werden, aufkommende Monotonie, gestörter Rhythmus während des Fahrens, steile Abfahrten, Materialdefekte, das Beobachten von unerlaubtem Windschattenfahren bei anderen Startern sowie der Erhalt von Zeitstrafen als bedeutend belastend eingeschätzt.

Im Mittelpunkt der Aussagen zu der Belastungsbewertung während des Laufens standen physiologische Probleme wie muskuläre Ermüdung und Muskelkrämpfe. Zusätzlich zeigten sich bei den befragten Langdistanztriathleten mit zunehmender Wettkampfdauer verstärkt motivationale Probleme. Einige Athleten wiesen auf Magen-Darm-Beschwerden während des abschließenden Marathonlaufs hin. Ferner wurde es von einem der befragten Triathleten als ziemlich belastend empfunden, wenn der persönliche Laufrhythmus nicht gefunden werden konnte.

Die Mehrheit der befragten Langdistanztriathleten beurteilte die Belastungssituationen nach dem Wettkampf als eher unproblematisch. Hierbei zeigten sich überwiegend positive Bewertungen mit dem Erleben von Freude und Euphorie. Zusätzlich wurden eine Reduzierung von Unsicherheit und die Erleichterung von psychophysischen Belastungsfaktoren festgestellt. Hingegen gaben zwei weibliche Befragungspersonen Schmerzen als hauptsächliche Belastung nach dem Wettkampf an. Des Weiteren ergaben sich für die befragten Sportler erhöhte Belastungsbedingungen durch Übelkeit und Magenprobleme, Motivationsverlust, Schlafstörungen sowie allgemeine physische und psychische Ermüdungserscheinungen.

Belastungsbewältigung

Laut der Interviewaussagen stellt die individuelle Erstellung eines Trainingsplans, mit Abstimmung auf die beruflichen und familiären Verpflichtungen, eine bedeutende Maßnahme zur Belastungsbewältigung während der Vorbereitung auf eine Langdistanz dar. Die Mehrzahl der befragten weiblichen und männlichen Langdistanztriathleten nutzen hierfür die Betreuung durch Experten wie Trainer oder Sportwissenschaftler.

Als wesentliche Bewältigungsstrategien während der Anreise und Vorbereitung zeigten sich die Konzentration auf eine optimale Vorbereitung des Materials, das Verfolgen der Wettervorhersagen und das Bemühen um ausreichend Erholung und Schlaf. Sich auf das Körpergefühl und eine optimale Ernährung zu konzentrieren wurde von den befragten Triathletinnen und Triathleten ebenfalls mit hoher Zustimmung bewertet.

Die Ergebnisse der Fragebogenanalyse zeigten auch, dass die Konzentration auf das Körpergefühl, auf einen langen und effektiven Kraulzug und die optimale Geschwindigkeit während des Schwimmens von großer Bedeutung für die Athletinnen und Athleten ist. Aus den Interviews ging das Bewahren von Ruhe, die Vermeidung von Behinderungen und das Ausnutzen des Schwimmschattens als wesentliche Maßnahmen zur Bewältigung der 3.8 km langen Schwimmstrecke hervor.

Während des Radfahrens achteten die Probanden verstärkt auf ihre Nahrungsaufnahme und eine ausreichende Flüssigkeitsversorgung. Ebenfalls als wichtig erachtet wurden, das Einhalten des geforderten Abstandes zum Vorausfahrenden und das Achten auf die optimale Geschwindigkeit und Wattleistung. Die Mehrzahl der interviewten Athleten gab an, sich auf das aktuelle Geschehen und die passende Geschwindigkeit bzw. Trittfrequenz sowie die optimale Ernährung zu konzentrieren.

Beim abschließenden Marathonlauf konzentrierten sich die weiblichen und männlichen Langdistanztriathleten vor allem auf ihre Nahrungsaufnahme und Flüssigkeitszufuhr. Die zweithöchste Zustimmung erhielt das bewusste in den Körper fühlen, gefolgt vom Beachten von ausreichender Kühlung durch Schwämme und Eis. Ergänzend ging aus den Interviews hervor, dass die Konzentration auf den eigenen Laufrhythmus, auf das Körpergefühl sowie auf die Wettkampfabschnitte als häufige Bewältigungsstrategien bevorzugt werden.

Nach dem Wettkampf wurde vor allem an einen schnellen Flüssigkeitsausgleich gedacht. Ebenfalls spielte eine zeitnahe Nahrungsaufnahme sowie ein allgemeines Beachten einer möglichst optimalen Regeneration eine bedeutende Rolle. Aus der Analyse der 14 geführten Interviews kam ergänzend hinzu, dass die befragten Sportler nach dem Wettkampf auf Massagen, allgemeine Ruhe, Regenerationstraining und Urlaub vertrauten, um die Strapazen eines Langdistanztriathlons zu bewältigen.

Sportpsychologische Trainingsprogramm im Triathlon

Basierend auf dem Trainingsprogramm zur Ärgerbewältigung von Steffgen (1993) konzipierte Ziemainz (1999) ein psychologisches Interventionsprogramm zur Stressbewältigung speziell für Triathleten. Das „Leipziger Stressbewältigungsprogramm“ verfolgt das Ziel, die Einschätzung von kritischen Wettkampfsituationen sowie die Kontrollerwartung durch den Athleten zu verbessern. Eine anschließende Wirksamkeitsüberprüfung konnte teilweise deutliche Veränderungen in der Handlungsweise, in der subjektiven Situationsbewertung und der Kontrollüberzeugung der untersuchten Kurzdistanztriathleten zeigen.

Ziemainz et al. (2003) evaluierten die Effektivität eines sportpsychologischen Trainingsverfahrens zur Verbesserung der triathlonspezifischen Wechsel (vom Schwimmen zum Radfahren und vom Radfahren zum Laufen) im Jugend- und Juniorenbereich. Hierfür konnten 27 Nachwuchstriathleten in eine Versuchsgruppe (VG, N = 8), eine Placeboaufmerksamkeitsgruppe (PAG, N = 10) und eine Kontrollgruppe (KG, N = 9) unterteilt und daraufhin verglichen werden. Die VG erhielt ein in 5 Abschnitte aufgebautes und 20 Stunden umfassendes psychologisches Training. Das 5-stufige Interventionsprogramm (nach Eberspächer, 1995) bestand aus 1. „Instruktion“, 2. „Selbstinstruktion“, 3. „Selbstgespräch“, 4. „Knotenpunkte“ und 5. „Symbolische Markierung“. Mit der PAG wurde ein 2mal wöchentlich durchgeführtes Entspannungstraining, über einen Zeitraum von 6 Wochen angewendet. Die KG blieb in diesem Zeitraum ohne sportpsychologische Interventionen. Die Ergebnisse zeigten eine deutliche Verbesserung der Bewegungsvorstellung bei der Versuchsgruppe. Hinsichtlich der Wechselzeiten vom Schwimmen zum Radfahren ließ sich ein signifikanter Zeiteffekt feststellen. Jedoch kein Interaktionseffekt (Gruppe*Zeit), d.h. keine generellen Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen erkennen. Das in dieser Pilotstudie angewendete sportpsychologische Trainingsprogramm konnte erste positive Effekte in Bezug auf eine Reduzierung der Wechselzeit und vor allem auf eine Verbesserung der Bewegungsvorstellung zeigen.

Schlusskommentar

Aus den Ergebnissen der hier vorgestellten Studien gingen größtenteils sehr nützliche theoretische, methodische und sportpraktische Erkenntnisse hervor. Diese Erkenntnisgewinne konnten teilweise bereits erfolgreich von den Athleten, Trainern und Sportpsychologen in die praktische Arbeit implementiert werden. Auf Grundlage der hier vorgestellten Studienergebnisse kann eine regelmäßige und systematische Anwendung von psychologischen Trainingsverfahren in der Sportart Triathlon (speziell für die Ironman-Distanz) empfohlen werden. Für die weiterführende sportpsychologische Forschung bleibt weiterhin anzuregen, dass praxisnahe und prozessorientierte Studien – vor allem als Längsschnitt – durchgeführt werden. Besondere Berücksichtigung sollte hierbei die Spezifik der Sportart Triathlon, mit ihren unterschiedlichen Wettkampfformaten und Distanzen erhalten.

Wenn am Samstag, zur 2016er Austragung des Ironman Hawaii, die männlichen deutschen Profiathleten wieder zum engeren Favoritenkreis zählen, dann kommt das nicht von ungefähr. Denn in den Geschichtsbüchern der Ironman-Weltmeisterschaften sind bereits die deutschen Athleten Thomas Hellriegel (Sieger 1997), Normann Stadler (Sieger 2004, 2006), Faris Al-Sultan (Sieger 2005), Sebastian Kienle (Sieger 2014) sowie Jan Frodeno (Sieger 2015) mit ihren Erfolgen vermerkt.

Hawaii ist und bleibt das Herz des Triathlonsports!

Mit sportlichen Grüßen

Konrad Smolinski

 

 

Literatur:

Blaue, J. (2012). Ausgewählte emotionale und motivationale Aspekte von Langdistanztriathleten. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Institut für Sportwissenschaft Jena.

Boch, V. (2011). Road to Kona. Die Ironman-Stars und ihre Trainingsgeheimnisse. Hamburg: spomedis.

Lazarus, R.S. & Folkman, S. (1984). Stress, appraisal and coping. New York: Springer.

Lazarus, R.S. & Launier, R. (1981). Stressbezogene Transaktionen zwischen Personen und Umwelt. In J.R. Nitsch (Hrsg.), Stress. Theorien, Untersuchungen, Maßnahmen (S. 213-260). Bern: Huber.

Pöttgen, K. (2013). Andreas Raelert – Planung für den Ironman Hawaii 2012. In M. Engelhardt, B. Franz, G. Neumann & A. Pfützner (Hrsg.), 27. Internationales Triathlon-Symposium Niedernberg 2012 (S. 96-98). Hamburg: Czwalina.

Schlicht, W., Meyer, N. & Janssen, J.P. (1990a). „Ich will mein Rennen laufen“. Bewältigung belastender Ereignisse im Triathlon – Eine Pilotstudie. 1. Teil. Sportpsychologie, 4 (1), 5-14.

Schlicht, W., Meyer, N. & Janssen, J.P. (1990b). „Ich will mein Rennen laufen“. Bewältigung belastender Ereignisse im Triathlon – eine Pilotstudie. 2. Teil. Emotionale Beanspruchungsreaktionen und angemessene Bewältigung. Sportpsychologie, 4 (2), 5-9.

Schücker, L., Heil, O., Brand, R. & Hagemann, N. (2014). Attentional focus strategies of triathletes during the Ironman World Championships. Journal of Sport Behavior, 37 (3), 306-314.

Smolinski, K. (2007). Motivationale Aspekte im Triathlon. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Institut für Sportwissenschaft Jena.

Smolinski, K. (2015). Psychische Beanspruchung im Triathlon. Eine theoretische und empirische Studie zur Bewertung und Bewältigung von Belastungsbedingungen im Langdistanztriathlon. Hamburg: Kovac.

Steffgen, G. (1993). Ärger und Ärgerbewältigung. Empirische Überprüfung von Modellannahmen und Evaluation eines Ärgerbewältigungstrainings. Münster: Waxmann.

Ziemainz, H. (1997). Streßbewältigung und sportlicher Erfolg im Triathlon. Marburg: Tectum.

Ziemainz, H. (1999). Handlungskontrolle und Stressintervention im Triathlon. Aachen: Meyer & Meyer.

Ziemainz, H., Stoll, O., Küster, C. & Adler, K. (2003). Evaluation Mentalen Trainings im triathlonspezifischen Disziplinwechsel im Jugend- und Juniorenbereich. Leistungssport, 33 (2), 20-22.

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de