Kommentar: England hat den Beweis erbracht. Elfmeter sind trainierbar

Jordan Pickford blieb nach außen hin ganz rational: “Ich habe getan, was ich als Torwart machen muss. Hauptsache man bewahrt die Ruhe. Wir waren mental stark.“ Die Worte stammen vom Keeper der englischen Nationalmannschaft, die als allererste ein Elfmeterschießen bei einer Weltmeisterschaft gewann. Pickford war am Dienstagabend im Achtelfinale gegen Kolumbien ganz offenkundig ein Teil eines gut vorbereiteten Teams, welches sich sehr bewusst auf eine mögliche Entscheidung im Elfmeterschießen vorbereitete und dies auch öffentlich kommunizierte. Die Rede war explizit von der Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen. Aber nicht nur in der britischen Yellow Press, selbst in deutschsprachigen Medien wurde Pickfords Coach Gareth Southgate vor wenigen Wochen dafür noch verlacht…

Zum Thema: Routinen und Störfaktoren beim Elfmeterschießen

Gerade Pickford bekam im Elfmeterschießen eine gesonderte Rolle zu. Nicht nur, weil er von den fünf Schüssen der Kolumbianer einen gehalten und einer an die Latte fliegen sah, sondern weil er seine Schützen vor zusätzlichen Störfaktoren bewahrte. Der Keeper vom FC Everton holte sich nämlich nach jedem Schuss der Kolumbianer den Ball und übergab diesen dem nächsten Schützen aus seinem Team. So mussten sich Kane, Rashford, Henderson, Trippier und Dier keiner Auseinandersetzung mit Kolumbiens Keeper Ospina aussetzen und konnten ihre individuellen Routinen abspulen.

Die einzelnen Abläufe, welche die englischen Schützen wählten, waren dann sehr unterschiedlich. Aber dies kann kaum anders sein, da jeder Sportler seinen eigenen Weg finden muss, um in einer solchen extremen Situation klarzukommen. Dr. René Paasch hatte dazu bereits vor zwei Jahren in einem Text einige interessante Ansätze ausformuliert, die nicht nur für Spieler vor WM-Achtelfinal-Herausforderungen relevant sind: 

Dr. René Paasch: Druck im Elfmeterschießen

Elfmeter sind trainierbar

Festhalten können wir: Elfmeterschießen lassen sich trainieren. Letzteres wird zwar immer noch von einigen versierten Trainern angezweifelt, der Gegenbeweis von Gareth Southgate dürfte aber dauerhafte Wirkung haben. Denn wem wenn nicht ihm, will man glauben, dass es besser ist, sich auf eine solche Situation bestmöglich vorzubereiten? 1996 war es Southgate höchstpersönlich, der  bei der Heim-EM 1996 als sechster Schütze seines Teams gegen Deutschland antrat und kläglich scheiterte. Jetzt hat er in seiner Rolle als Trainer zumindest englische Sportgeschichte geschrieben.

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de

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