Renate Wigger: Sport oder Job – Wenn zwei Herzen in deiner Brust schlagen…

Mit Leidenschaft Profi-Sportler sein oder sich mit voller Hingabe in den Beruf stürzen? Renate Wigger berichtet über ihre Arbeit mit dem Schweizer Wintersportler Janik Riebli. Der Langläufer hat für sich einen Weg gefunden: Er nutzt regelmäßige Timeouts vom Sport, um bei seiner zweiten Leidenschaft Kraft zu tanken.

Zum Thema: Sportpsychologische Karrierebegleitung im Leistungssport

Seit mehreren Jahren arbeite ich mit dem Langläufer Janik Riebli im mentalen Bereich zusammen. Auf den ersten Blick entspricht Janik nicht dem typischen Bild eines Profisportlers. Auf seinem Instagram Profil finden sich etwa neben den erwarteten Bildern von Trainings- und Wettkampfsituationen auch viele Fotos, die nichts mit dem Alltag eines Sportlers zu tun haben.

Janik ist nicht nur ambitionierter Sportler, sondern auch leidenschaftlicher Bauer. Er hat eine Lehre als Landwirt abgeschlossen und hilft so oft wie möglich im elterlichen Betrieb in Giswil und auf der Alp mit. Dabei ist das für ihn nicht nur Arbeit, er blüht dabei sichtlich auf und findet grosse Genugtuung darin, etwa die 30 Kühe zu melken.

In unserer Arbeit haben wir dabei einige Fragen gesammelt: 

  • Ist es möglich, diesen beiden Leidenschaften gerecht zu werden? Wann kann es eine willkommene Ressource sein, auf dem Bauernhof zu arbeiten und wann eine Vergeudung von Energie sowie eine zu grosse Ablenkung? 
  • Wie kann er diese beiden Bereiche ohne innere Konflikte leben?
  • Für Janik hat sich auch die Frage aufgedrängt: Ist er denn wirklich ein Profisportler? (Er hatte selbst das Gefühl, nicht seinem Ideal eines Profisportlers zu entsprechen.)

Persönlichkeit im Fokus 

Das Persönlichkeitsmodell von Schulz von Thun beschreibt verschiedene innere Anteile oder „Stimmen“ einer Person als Mitglieder eines Teams, die bei Entscheidungen und im Innenleben miteinander diskutieren, streiten und zusammenarbeiten. Basierend auf diesem Modell hat Janik seine inneren Anteile benannt und wir versuchten gemeinsam herauszufinden, welche sich gut miteinander vertragen und welche in Konflikt geraten, wenn er als «Spitzensportler» oder «Bauer» unterwegs ist. Zum Beispiel erkannte er, dass der fleissige Bauer nicht nachvollziehen kann, dass der Sportler zur Regeneration nach intensiven Trainingseinheiten «nur faul» rumliegt. Diese unproduktive Phase ist für den fleissigen Bauern nicht akzeptabel, für den Sportler aber essentiell.

Daraus konnte Janik zwei unterschiedliche Mindsets entwickeln und nun bewusst wechseln. Als mögliches Visualisierungsmodell haben wir den Ego State Bus genutzt. Die Anteile, die sein Mindset in der entsprechenden Situation prägen, konnte er im Bus vorne hinsetzen. Damit hat etwa der «Entschlossene» in Wettkampfsituationen das Steuer in der Hand und wird vom Ehrgeizigen und dem Kämpfer auf den ersten Sitzen beraten. Anteile wie der Produktive oder der Sensible sitzen ganz hinten im Bus, weil diese keinen Einfluss erhalten sollen.

“Bus Mindset Sport”

Wenn Janik nun seinen «Bus Mindset Sport» mit der Positionierung seiner inneren Anteile anschaut, erkennt er auch den Profisportler. Vielleicht entspricht dies nicht zu 100% seinem Ideal, aber es ist SEIN Profil des Profis. Und damit kann er arbeiten.

TV-Beitrag:

In der wunderbaren Sendung Sportpanorama des SRF wurde ein sechsminütiger TV-Beitrag zu Janik Riebli gezeigt. Zu sehen ist der Film ab Timecode 3:30:

https://www.srf.ch/play/tv/sportpanorama/video/langlaeufer-janik-riebli-erwog-karriere-ende?urn=urn:srf:video:8a16dd3e-2565-4a0b-9ebc-f1daf8c8061f

Mehr zum Thema:

Literaturhinweis: 

Schulz von Thun F. & Stegmann, W. (2004). Das innere Team in Aktion. 9. Auflage. Hamburg: Rowohlt.

Views: 8

Renate Wigger
Renate Wiggerhttp://www.die-sportpsychologen.de/renate-wigger/

Sportarten: Ski alpin, Freestyle, Ski nordisch, Biathlon, Eishockey, Beachvolley, Synchronschwimmen, Voltige, Hornussen, Schwingen, Orientierungslauf, Ultimate Frisbee uvm.

Langnau, Schweiz

+41 (0)79 444 69 03

E-Mail-Anfrage an r.wigger@die-sportpsychologen.de