Wie geht es eigentlich, ein neues Team oder einen neuen Verein zu finden, wenn ein Wechsel ansteht? Entweder, weil man sich entwickelt möchte, oder weil es im alten Team keinen Platz mehr gibt?
Zum Thema: Sportpsychologische Tipps für Vereinswechsel
Die Gründe für einen Vereinswechsel können vielfältig sein. Abhängig von der Sportart, dem Alter und dem Leistungslevel. Die überwiegende Zahl der Sportler und Sportlerinnen hat kein professionelles Management, das sich darum kümmert, den perfekten Platz zu finden. Denn ein Management muss sich über einen Teil dessen finanzieren, was der Sportler verdient. Und das ist im Amateur-Bereich oder in Randsportarten einfach fast nichts.
Dazu kommt, dass es in diesen Bereichen kein systematisches Scouting gibt. Es kann sein, ein Volleyball-Verein in Deutschland sucht eine Spielerin für die Diagonale. Ein paar Kilometer weiter in Frankreich, Belgien oder Österreich gibt es eine, und beide erfahren nie voneinander. Man weiß, was in der eigenen Liga passiert, schaut vielleicht Spiele der Liga direkt ober- oder unterhalb an, hört etwas von jemandem, aber das Finden oder Gefunden-Werden hat oft mehr mit dem Zufall zu tun als mit einer perfekten und geplanten Passung.
Plädoyer für das Kümmern
Dass die meisten Sportler nicht das Optimum dessen finden, was für sie möglich wäre, wenn sie nicht aktiv suchen, ist eine Tatsache. Deshalb das Plädoyer an alle, die im Amateurbereich kicken, werfen oder laufen oder die in einer Sportart unterwegs sind, in der es zwar hoch professionell zugeht, aber keine professionellen Agenten dabei helfen können, den perfekten neuen Job zu finden: Kümmert euch selbst. Kümmert euch frühzeitig. Kümmert euch systematisch. Kümmert euch mit Nachdruck. Und seid euch nicht zu schade dafür, bei einem Verein oder einen Team anzuklopfen und euch vorzustellen. Es ist Teil eines professionellen Mindset: Ein Sprinter wartet nicht auf die Erlaubnis, um als Erster durch’s Ziel zu kommen. Er tut täglich alles dafür, dass das möglich ist, im Training, mit seiner Ernährung, ordnet viel dem Sport unter. Die Suche nach dem passenden professionellen Support durch Team, Verein und Sponsoren ist Teil davon. Nur wenn diese Unterstützung da ist, kann sich der Sprinter auf seine eigentlichen sportlichen Aufgaben konzentrieren. Darum muss er sich diesen Support genauso entschlossen suchen, wie er jeden Tag sein Training angeht.
Wie geht das nun mit der Suche?
1. Recherche: Wer könnte zu mir passen? Wer spielt da auf meiner Position? Wie ist der Verein da ausgestattet? Kann ich etwas in Erfahrung bringen darüber, wie da die Vertragslage ist? Wird vielleicht jemand diesen Verein verlassen? Wenn nicht, und es wäre der perfekte Verein, trotzdem nachfragen. Denn es passiert immer wieder, dass jemand seinen Vertrag frühzeitig auflöst oder aufgrund gesundheitlicher oder anderer Themen (zum Beispiel einer Schwangerschaft) frühzeitig zurücktritt. Zur Recherche gehört auch, in Erfahrung zu bringen, wie es praktisch im neuen Verein zugeht: Wer kennt jemanden, der jemanden kennt, der da spielt und Auskunft geben kann? Und wer ist Ansprechpartner? Im Mannschaftssport ist das in der Regel die Sportliche Leitung. Gibt es dir nicht, der Vorstand, manchmal auch ein Trainer oder eine Trainerin.
2. Kontaktaufnahme: Die darf telefonisch oder per Message passieren. Dort geht es erst einmal darum, grundsätzliches Interesse zu signalisieren. Eventuell gepaart mit der Bitte, die Anfrage vertraulich zu behandeln. Und mit der Bitte um einen Termin zum Telefonieren, ein Online-Treffen oder am besten für ein Live-Treffen, wenn der Verein oder das Team in der Nähe sind. Lässt sich der Gesprächspartner darauf ein, ist schon einmal grundsätzliches Interesse da.
3. Die eigene Perspektive schildern: Wie ist dein Leistungsstand? Was sind deine Ziele? Warum glaubst du, der Verein oder das Team könnten passend für dich sein? Und ganz wichtig: Aufzeigen, wie du dem Team weiterhelfen möchtest. Stell auch selbst Fragen: Was sind die Ziele des Teams? Des Trainers oder sportlichen Leiters? Ihr könnt abgleichen, ob die Ziele zusammenpassen. Und frag natürlich auch, ob es denn sein könnte, dass sie jemand Neuen holen möchten. Was du unbedingt vermeiden solltest: Über den bisherigen Verein oder das Team schimpfen, auch wenn nach den Gründen für den Wechsel gefragt wirst. Über den aktuellen Arbeitgeber lästern oder klagen macht immer einen schlechten Eindruck, egal wie berechtigt es sein mag. Es ist in Ordnung, wenn du im Gespräch sagst, dass sich Ziele unterschieden haben, dass du nicht die Spielzeiten bekommen hast, die du dir gewünscht hast, oder dass du nicht gut mit dem Material zurechtgekommen bist. Bleib aber immer respektvoll und behalte den Fokus auf der Zukunft und dem, was man gemeinsam auf die Beine stellen kann.
4. Sprich im ersten Termin noch nicht über Geld, selbst wenn du gefragt wirst. Erst braucht es eine Einigung hinsichtlich der Perspektiven. Dann kann man einen guten Kompromiss finden. Das kannst du auch so sagen.
5. Wenn es dann ernst wird, bitte den Verein oder das Team um ein Angebot. Dann siehst du, was abgesehen vom Gehalt, wenn es denn eins gibt in deinem Sport, noch angeboten wird. Was wird dir für Material gestellt? Fahrten und Übernachtungen? In welcher Qualität? Nahrungsergänzung, ein Fahrzeug? Wie sind die Möglichkeiten, selbst weitere Sponsoren zu gewinnen und ihnen Platz auf dem Trikot zu gewähren? All das ist ebenfalls Geld wert und sollte berücksichtigt werden. Und am allerwichtigsten: Wie sind die Entwicklungsmöglichkeiten für dich im neuen Verein oder Team? Kannst du da viel lernen, bringt es dich weiter? Das ist der wichtigste Faktor, wenn du langfristig denkst.
6. Nun geht es an’s Verhandeln. Wenn du weißt, der Verein kann nicht mehr bezahlen, kannst du vielleicht ein Auto zur Nutzung heraushandeln, wenn der Verein da einen Sponsor hat, oder andere Zusatzleistungen. Auch die Hilfe bei der Suche nach einer Wohnung oder ein zur Verfügung gestelltes Zimmer kann etwas sein das anzubringen sich lohnen kann.
7. Lass nicht zu schnell locker. Es ist normal, dass eine professionelle Verhandlung durch mehrere Phasen geht. Der Vertreter des Vereins oder Teams hat die Aufgabe, möglichst gute Athleten für möglichst wenig Kosten zu gewinnen. Das ist nichts Persönliches, er macht seinen Job. Du möchtest einen möglichst guten Verein und möglichst viel für deine sportlichen Anstrengungen bekommen. Die Interessen sind also in manchen Bereichen entgegengesetzt. Darum lohnt es sich, immer wieder die Gemeinsamkeiten zu betonen („Ihr wollt aufsteigen, ich will es auch, und ich bin bereit, alles dafür zu geben!“) und dann die eigenen Vorstellungen zu verteidigen. Wichtig: Ein für den angestrebten Bereich hoher Gehaltswunsch muss begründet werden. Keine Begründung ist: „Ich bin es wert.“ Oder: „Letzte Saison hatte ich X, ich möchte mich schon ein bisschen verbessern.“ Gute Begründungen sind: „Ich habe mich die letzten zwei Jahre konstant verbessert und werde das weiterhin tun.“ Oder: „Ich habe in dieser Liga schon gespielt und kann deshalb eine Führungsrolle im Team übernehmen.“ Oder: „Ich habe einen persönlichen Athletik-Trainer / Sportpsychologen / Physio, außerdem lege ich viel Wert auf eine ausgewogene Ernährung, dafür brauche ich pro Jahr den Betrag X. Darüber hinaus muss ich von etwas leben. Darum brauche ich XX, damit ich weiterhin auf diesem hohen Niveau trainieren und abliefern kann.“
Sportpsychologen helfen bei kommunikativen Herausforderungen über diese Themen hinaus. Nehmt gern Kontakt auf, zu meinen Kollegen und Kolleginnen (zur Übersicht) in deiner Nähe oder zu mir (zum Profil von Anke Precht)
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