Jan van der Koelen: Wie Fehlerfreundlichkeit zum Booster wird

Perfektionismus ist ein Thema, dass mich schon lange beschäftigt. Immer wieder erzählen mir Athleten und Athletinnen, dass sie viel Zeit und Energie in die Suche nach der perfekten Technik und dem perfekten Trainingsplan investieren. Als Sport-Mentaltrainer beobachte ich immer wieder, wie sehr sich Athleten und Athletinnen hierbei unter Druck setzen, um perfekt zu sein. 

Zum Thema: Hilfestellungen von Trainer und Athleten im Umgang mit Perfektionismus

Herkömmlicher Weise wird im Leistungssport versucht, so schnell und fehlerfrei wie möglich zu sein. Doch was ist, wenn man die Fehlerfreundlichkeit als Chance begreift? Wenn man bewusst Fehler macht und aus ihnen lernt? Diese Herangehensweise kann sich positiv auf die Leistung und das Selbstvertrauen auswirken.

In diesem Blogartikel möchte ich daher genauer auf die Themen Perfektionismus und Fehlerfreundlichkeit eingehen. Zunächst werde ich erklären, was Perfektionismus überhaupt ist und welche Auswirkungen diese Verhaltensmuster auf den Leistungssport haben. Anschließend werde ich aufzeigen, was Fehlerfreundlichkeit bedeutet und welche Auswirkungen sie auf den Gesamterfolg nehmen kann. Zuletzt betrachten wir, welches Wissen für Trainer hilfreich ist, um ihre AthletInnen bestmöglich zu unterstützen. 

Nützlicher und weniger nützlicher Perfektionismus

Perfektionismus ist die Sucht nach Fehlerfreiheit (Flett & Hewitt, 2002). Es ist eine Einstellung, die besagt, dass es immer möglich und notwendig ist, noch besser zu sein (Hamachek, 1978). Die Motivation für perfektionistisches Verhalten kann entweder intern oder extern sein. Intern motivierte Perfektionisten suchen nach Fehlerfreiheit, weil sie glauben, dass sie es sich selbst schuldig sind, immer ihr Bestes zu geben. Extern motivierte Perfektionisten hingegen suchen Fehlerfreiheit, weil sie glauben, dass andere Menschen sie nur dann respektieren oder anerkennen, wenn sie perfekt sind (Flett & Hewitt, 2002).

Perfektionismus kann sowohl positiv als auch negativ sein. Positiver Perfektionismus ist die Suche nach persönlicher Bestleistung und Selbstentwicklung. Negativer Perfektionismus hingegen ist die Suche nach Fehlerfreiheit auf Kosten von Lebensqualität und Gesundheit (Flett & Hewitt, 2002). Es ist also wichtig zu unterscheiden, ob das Streben nach Fehlerfreiheit eine positive oder negative Motivation hat. Bei einer positiven Motivation und einem entsprechend achtsamen Umgang kann der Perfektionismus ein starker Erfolgsfaktor sein. 

Fehlerfreundlichkeit im Leistungssport 

Im Leistungssport ist Fehlerfreundlichkeit eine wichtige Kompetenz (Duda & Whitehead, 1998). Athleten sollten lernen, mit Fehlern umzugehen und sie als Chance für die Verbesserung ihrer Leistung zu sehen (Duda & Whitehead, 1998). Dies ist jedoch oft leichter gesagt als getan. Viele Athleten neigen dazu, Fehler zu vermeiden oder häufig auch zu verbergen (Duda & Whitehead; Orlick & Partington 1988). Dies kann jedoch dazu führen, dass sie ihr volles Leistungspotenzial nicht entfalten können (Duda & Whitehead; Orlick & Partington 1988).

Jeder macht Fehler. Ganz egal wie gut man ist, in jedem Bereich lauern Fallen und Stolpersteine, die man überwinden muss. Dies gilt auch für den Leistungssport, wo angehende Profisportler unter immensem Druck stehen und sich oftmals ein schlechtes Gewissen machen, sobald etwas nicht nach Plan verläuft. Genau hier setzt die Fehlerfreundlichkeit im Sport an. Die Idee der Fehlerfreundlichkeit ist es, dass dem Sportler verziehen werden sollte – insbesondere solchen, die neu in ihrer Karriere sind oder noch auf der Suche nach dem für sie „perfekten Weg“ sind. Natürlich gibt es Regeln und Richtlinien, die eingehalten werden müssen; doch mit etwas mehr Flexibilität und Akzeptanz könnten sich viele Athleten besser entwickeln und mehr Erfolg haben.

Fehler als Teil des Lernprozesses

Der Fehler ist hierbei ein Teil des Lernprozesses und sollte als solcher betrachtet und behandelt werden. Ein fehlerfreundliches Umfeld zu schaffen, ist daher entscheidend, um die Leistung von Athleten zu verbessern. Dazu gehört es, dass insbesondere Trainer und Betreuer verstehen, dass Fehler Teil des Lernprozesses sind. Sie sollten den Athleten aktiv ermutigen, Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen. Auch die Athleten selbst sollten lernen, Fehler als etwas Positives zu sehen. Statt sich über Fehler zu ärgern oder zu verzweifeln, sollten sie versuchen, aus ihnen zu lernen. 

Ich erlebe, dass die Fehlerfreundlichkeit eine Eigenschaft ist, die immer häufiger Anklang findet und dann auch verstärkt trainiert wird. Denn sie soll helfen, das individuelle Potential besser auszuschöpfen und die Leistungen konstant zu halten. Insbesondere im Bereich des Leistungssports gilt es hier, bestehende Blockaden zu überwinden und Hürden zu nehmen, um an die Spitze zu gelangen. Wie genau funktioniert also Fehlerfreundlichkeit und welche positiven Effekte bringt sie mit sich?

Positive Effekte von einem fehlerfreundlichen Umfeld

Fehlerfreundlichkeit ist nicht gleichbedeutend mit Nachlässigkeit oder Unprofessionalität. Ganz im Gegenteil: Wer sich traut, Fehler zu machen, kann auch viel Neues ausprobieren und so seine Leistungen verbessern. Doch was ist Fehlerfreundlichkeit eigentlich genau? Wenn wir uns dieser Frage widmen, dann fällt auf, dass viele Menschen gerne perfektionistisch erscheinen – sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext. Ein gesellschaftlicher Wert, eine Tugend, die insbesondere im Kontext von Leistung angesehen ist. Doch was passiert, wenn man gar nicht erst versucht, etwas Neues auszuprobieren, weil man z.B. Angst hat zu scheitern? Dann strebt man bewusst oder unbewusst eine Null-Fehler-Quote an und blockiert sich selbst. Wer sich hingegen den Mut nimmt, Fehler zu machen, der kann nur gewinnen: Entweder die Aktion funktioniert und man hat etwas Neues gelernt und zusätzlich an Selbstvertrauen gewonnen oder aber man merkt schnell, dass es doch noch nicht so gut funktioniert und modifiziert sein Verhalten. In beiden Fällen hat man dazugelernt – warum also nicht einfach den Schritt wagen? Athleten und Athletinnen können lernen, mit Rückschlägen umzugehen und dadurch mental stärker zu werden. Auch die Kreativität und das Selbstvertrauen können gesteigert werden.

Das Trainerteam sollte ein großes Augenmerk auf die eigenen kommunikativen Fähigkeiten richten, um damit ein fehlerfreundliches und leistungsoptimierendes Umfeld zu schaffen. Sehr wirksam ist das aktive Kommunizieren von Fehlerfreundlichkeit und den einzelnen Sportlern zu erlauben, Fehler zu machen und diese positiv zu nutzen. In den Hilfestellungen gilt: Weniger von „lass das“ und hin zu „tue dies“ – klare und deutliche Instruktionen, was der Sportler tun kann, um ihn zu informieren, statt zu korrigieren. Stärken und Ressourcen sind die Grundlagen in einem fehlerfreundlichen Umfeld und machen somit weitere Entwicklungen möglich. 

Quick-Tipps: Welche Lernentwicklungsfelder von AthletInnen sich Trainer auf dem Weg zum Erfolg zu Nutze machen können?

Trainern ist es wichtig zu verstehen, was Perfektionismus ist und welche Auswirkungen er auf den Leistungssport hat. Dadurch können sie ihre perfektionistischen Athleten bestmöglich unterstützen. Hier sind einige Punkte, die Trainer, auch Sportler selbst, aus einer ressourcenorientierten Sicht beachten können:

  • Athleten sollten lernen, Fehler als Chance für die Verbesserung ihrer Leistung zu sehen und nicht als Versagen oder Schwäche. Dies kann zum Beispiel durch Feedback-Gespräche unterstützt werden. In diesen Gesprächen sollte das Augenmerk auf die Verbesserung der Leistung gelegt werden und nicht auf den Fehler an sich.
  • Athleten sollten lernen, mit Misserfolgen umzugehen. Sie sollten verstehen, dass Misserfolge Teil des Sports und des Lernprozesses sind. Sie sollten lernen, Rückschläge als Chance für die Weiterentwicklung zu sehen. Dies kann beispielsweise durch Visualisierungs- oder Mentaltraining-Techniken erreicht werden. 
  • Athleten sollten lernen, realistische Ziele zu setzen. Oft neigen perfektionistische Athleten dazu, sich unrealistische Ziele zu setzen, die sie entweder gar nicht erreichen können oder nur unter hohem Stress erreichen können. Realistische, auch kleinschrittige Zielklärung, kann helfen, Stress zu reduzieren und die Leistungsfähigkeit zu steigern.
  • Athleten sollten lernen, ihre Ziele zu erreichen und sich auf die positiven Aspekte des Sports zu konzentrieren. Sie sollten erkennen, wann sie Erfolg haben und wann sie scheitern – unabhängig von Sieg oder Niederlage. Dies hilft ihnen bei der Entwicklung von Strategien, um diese Erfolge zu erzielen.
  • Athleten sollten lernen, effektiv mit Kritik umzugehen. Oft neigen perfektionistische Athleten dazu, Kritik persönlich zu nehmen und negativ auf sie zu reagieren. Sie sollten lernen, Kritik als wohlwollendes Feedback für die Weiterentwicklung ihrer Leistung zu sehen.
  • Athleten sollten lernen, ihre Erwartungen zu kontrollieren und anzupassen. Wenn sie zu hohe Erwartungen haben, können sie enttäuscht werden. Wenn sie jedoch niedrige Erwartungen haben, können sie unterfordert sein und ihr volles Potenzial nicht ausschöpfen. 
  • Athleten sollten lernen, die Bedeutung von Leistungsvergleichen zu verstehen. Sie sollten erkennen, dass Leistungsvergleiche mit anderen Athleten oft negativ sein können und dass es besser ist, sich auf die eigenen Ziele zu konzentrieren.
  • Athleten sollten lernen, ihre Motivation zu steigern und aufrechtzuerhalten. Sie müssen erkennen, was sie antreibt und wann diese Motivation schwindet. Dies hilft ihnen bei der Entwicklung von Strategien, um diese Motivation aufrechtzuerhalten.
  • Athleten sollten lernen, mit dem Druck umzugehen. Der Druck ist ein Teil des Sports und kann nicht vermieden werden. Athleten können lernen, damit umzugehen und den Druck z.B. als motivierende Herausforderung anzusehen.
  • Athletinnen sollten lernen, das Spiel in der jeweiligen Sportart zu genießen. Das Spiel ist eine großartige Möglichkeit, Spaß zu haben, Freunde/ Herausforderer zu treffen und etwas Neues auszuprobieren.

Fazit

Ich bin davon überzeugt, dass die Fehlerfreundlichkeit im Leistungssport ein wichtiger Erfolgsfaktor ist. Durch sie lernt man nicht nur, sich selbst zu reflektieren und zu analysieren, sondern entwickelt auch eine positive Einstellung gegenüber Fehlern. So werden sie zu einem wertvollen Lernprozess und nicht zu einer Bedrohung. Durch die Fehlerfreundlichkeit im Leistungssport kann man sich selbst den nötigen Ansporn geben, um weiterzumachen und sich zu verbessern. Denn es ist kein Geheimnis, dass Fehler die besten Lehrer sind. Es sind hierbei die Lerner und Nicht-Lerner, die den Unterschied machen. 

Die Fehlerfreundlichkeit ist als Booster zu nutzen und kann so den Erfolg im Leistungssport unterstützen.

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