Ole Fischer: Als Trainer eine Kadernominierung optimal kommunizieren – Am Beispiel der Basketball WM 2019

Dass war gewiss keine einfache Aufgabe für Basketball-Bundestrainer Henrik Rödl. Unmittelbar vor Beginn der Weltmeisterschaft 2019 in China musste er den beiden NBA-Talenten Moritz Wagner und Isaac Bonga (beide Washington Wizards/NBA) mitteilen, dass sie nicht zum endgültigen 12-Kader des  Deutschen Basketball Bundes zählen. Als Trainer stehen auch Sie, liebe Leser, immer wieder vor dieser Art von Entscheidung. Wen nehme ich mit? Welche Entscheidung ist die richtige? Wann ist der richtige Zeitpunkt? Wie kann ich dem enttäuschten Spieler trotzdem Mut machen? Bei der Beantwortung all diesen Fragen können Sie vom Basketball-Bundestrainer oder seinen Amtskollegen aus anderen Sportarten lernen. Im Text habe ich das zusammengefasst – Ihre nächste schwere Entscheidung kommt bestimmt. 

Zum Thema: Mit der Macht umzugehen, ein Team zu nominieren 

Wenn Sie als Trainer darüber bestimmen, ob ein Spieler mit zu einem Turnier, Spiel oder generell in den Kader kommt, entsteht zwangsläufig eine Abhängigkeit der Spieler von Ihrer Entscheidungsgewalt.

Im Gegenzug sind Sie abhängig von den Fähigkeiten und dem Einsatz der Spieler, welche letztlich auf dem Platz stehen und das Mannschaftskonzept umsetzen sollen. Diesen Umstand vergessen die meisten Spieler in der Nominierungssituation. Oft nehmen sie es persönlich und reflektieren nicht über die eigene Leistung. Dann gelten Sie als Trainer als der Schuldige. Dies ist auch dem Umstand geschuldet, dass ein Spieler etwas egoistischer denken muss als Sie, damit er seinen Ehrgeiz behält.

Schwere leichte Entscheidungen

Diesen Ärger kriegen Sie als Trainer hin und wieder zu spüren, egal ob Sie es direkt vom Spieler hören, von Teamkameraden oder aus der Presse. Aber Sie wissen ja, als Trainer ist es unmöglich, sich mit allen Spielern gleich gut zu verstehen. Trotzdem sollte der Spieler merken, dass Ihnen die Entscheidung nicht egal gewesen ist, selbst wenn sie Ihnen leicht gefallen sein sollte.

Sie als Trainer arbeiten für das Wohl der Mannschaft und für den Erfolg der Gruppe. Sollte Ihre Entscheidung nicht funktionieren, dann sind Sie der Erste, der gehen muss. Der Druck ist hoch. Daher mein erster Tipp:

Seien Sie mutig und hören Sie auf ihr Bauchgefühl – Es gehört viel Courage dazu, unpopuläre Entscheidungen zu treffen.

Beispiel Mario Götze

Die Umsetzung dieses Tipps hat auch zur Folge, dass im Falle des Erfolgs die Mannschaft Ihnen noch mehr Vertrauen schenkt, da sie sieht, dass Ihre Praktiken zum Erfolg führen.

Das Bauchgefühl spielt ebenso eine wichtige Rolle. 

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Ein gutes Beispiel ist das Tor im WM Finale von Mario Götze. Bei der WM 2014 spielte er kein wirklich gutes Turnier, viele kleine Verletzungen hatten ihn zuvor zurückgeworfen. 88 Minuten saß er im Finalspiel auf der Bank, bis Joachim Löw das richtige Gespür hatte. „Und jetzt zeig der Welt, dass du besser bist als Messi“, flüsterte ihm der Bundestrainer noch ins Ohr. Und dann schoss er Deutschland zum Titel. Ohne das richtige Bauchgefühl, wäre das eventuell nicht passiert.

Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Als Trainer ist es wichtig, den Athleten genug Raum zu geben, um sich zu präsentieren. Das bedeutet, dass in diesem Fall, als Zeitpunkt der spätmöglichste für die endgültige Entscheidung der Beste ist. Ausnahme: Ein Spieler stört das Teamgefüge und gefährdet den Erfolg der Vorbereitung.

In seltenen Fällen ist es durchaus notwendig, schon früher den endgültigen Kader zu bestimmen. So ist ein konzentriertes Arbeiten mit Vorbereitung auf die gemeinsamen Ziele besser machbar, als wenn individuelle Ambitionen den Trainingsalltag stören.

Die Art und Weise der Bekanntgabe

Doch mal ehrlich, ist es besser, eine Nominierung vor der ganzen Mannschaft bekannt zu geben oder ist ein persönliches Gespräch im Vorfeld sinnvoller?

Beides kann seine Vor- und Nachteile haben! Ich bevorzuge das Vier-Augen-Gespräch, damit der Spieler Zeit hat, die Entscheidung zu verarbeiten und nicht aus dem Affekt und mit dem Druck, vor der Mannschaft bloßgestellt zu werden, reagiert. Oft nehmen Spieler eine persönliche Niederlage vor der gesamten Mannschaft als Demütigung wahr. Dies wird zwangsläufig zu einem schlechten Verhältnis zwischen Ihnen und dem Spieler führen. 

Wie sag ich es ihm oder ihr? 

Mein Tipp: Bleiben Sie so transparent wie möglich, begründen Sie Ihre Entscheidung und beweisen Sie Fingerspitzengefühl.

Auch wenn der Spieler Ihre Wahl nicht umgehend versteht, kann ihm diese Vorgehensweise dabei helfen, die Situation besser zu verarbeiten. Das Fingerspitzengefühl wird Sie dabei leiten, wie, wo und wann Sie Ihre Spieler darüber informieren.

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Härtefall Moritz Wagner

Henrik Rödl hat mit Moritz Wagner vor seinem Interview (im Video) geredet und ihm innerhalb der Pressekonferenz nochmals den Rücken für zukünftige Einsätze bei der Nationalmannschaft gestärkt. Zudem hat er klare Beispiele wie die Spielpraxis und die Erfahrung als Ursachen für seine Entscheidung festgemacht. Einem klugen Spieler wie Wagner wird diese Begründung dabei helfen, sich zu verbessern und die Entscheidung zu verstehen.

Er hat Wagner außerdem bestätigt, dass er in Zukunft (innerhalb der Nationalmannschaft) noch viel vor sich hat und über ein „unglaubliches Talent“ verfügt. Dieser Ausblick ist die Grundlage für eine positive Zusammenarbeit in den nächsten Jahren. Rödl gibt seinem Spieler das Gefühl, trotzdem ein Teil des Teams zu sein und seine Entwicklung in der Zukunft weiter zu evaluieren. Damit bekommt Wagner auch eine Aufgabe, die seinen Ehrgeiz wecken soll.

Zur Profilseite von Ole Fischer: https://www.die-sportpsychologen.de/ole-fischer/

Wie mit den Aussortierten umgehen?

Mein Tipp: Bleiben Sie für den Spieler nahbar, zeigen Sie ihm, dass Sie trotzdem an ihn glauben (vorausgesetzt, dass es der Fall ist).

Wenn Sie die obenstehenden Tipps beachten, können Sie auch diese schwierige Ansprache als Trainer zu einer gelungenen Aktion für die Mannschaft machen, die daraus gestärkt hervorgeht. Denn denken Sie daran, dass sich immer viele Spieler über Ihre Entscheidung freuen. Nämlich die, die mitfahren dürfen.

Info Basketball-WM 2019:

Vom 31. August bis zum 15. September 2019 läuft die Basketball-WM in China. Mein Kollege Johannes Wunder (zum Profil) und ich (zum Profil von Ole Fischer) haben uns dazu entschieden, dieses Spektakel sportpsychologisch zu begleiten. Wenn ihr spezielle Themenideen oder Fragen habt, nehmt gern Kontakt auf.

Wir von Die Sportpsychologen (zur Übersicht) wünschen eine tolle Basketball WM 2019 und viel Erfolg ans Deutsche Team!

#Koerbefuerd

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de