Christian Hoverath: Wald- und Wiesenlauf oder Stadtmarathon?

Neulich wurde ich gefragt, ob es eigentlich aus sportpsychologischer Sicht einen Hinweis darauf gibt, lieber eine Wald- und Wiesenveranstaltung oder einen großen Stadtmarathon zu wählen? Dabei ging es dem Fragenden vor allem darum, die eigene Bestzeit unterbieten zu wollen. Natürlich gibt es individuelle Vorlieben, aber die sportpsychologische Forschung bietet durchaus ein paar grundsätzliche Hinweise an.

Zum Thema: Sportliche Leistung unter Einfluss von Zuschauern

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Einen möglichen Anhaltspunkt bietet der sogenannte audience effect. Dieser besagt, dass sich das Verhalten einer Person verändert, wenn sie beobachtet wird oder dieses denkt (Triplett, 1898).  Eine in verschiedenen Ausprägungen wiederkehrende Erklärung für diesen Effekt liefert die Überlegung, dass Menschen in den Augen anderer positiv wahrgenommen und als gut in dem erkannt werden wollen, was sie tun (Hamilton & Lind, 2016). 

Ein Argument für die Wahl einer Veranstaltung mit Zuschauern wird von Rhea und Kollegen (2003) geliefert. Sie ließen Teilnehmer in einem entspannten Gruppensetting, im Wettbewerb gegen andere oder vor Zuschauern Bankdrücken absolvieren. Die Teilnehmer, die beobachtet wurden, konnten signifikant mehr Gewicht drücken als die anderen Teilnehmer der Untersuchung.

Häufigkeit von Anfeuerungen als Faktor

Zurück zur Ausgangsfrage: Sollte es nun eine Veranstaltung sein, bei der immer mal wieder Menschen am Rand stehen oder sollte die Strecke durchweg gesäumt sein? Untersuchungen auf einem Laufband wollten ergründen, ob die Häufigkeit des Anfeuerns eine Wirkung hat. In dieser Untersuchung wurden die Läufer dabei entweder alle drei Minuten, jede Minute, alle 20 Sekunden oder gar nicht angefeuert. Keinen Unterschied machte es, ob Anfeuerungen alle drei Minuten passierten oder die Umgebung still war. Die Läufer zeigten jedoch eine bessere Leistung, wenn sie minütlich unterstützt wurden. Am besten war die Leistung bei Zurufen im Abstand von 20 Sekunden. Zusätzlich wurden Laktatwerte gemessen und es zeigte sich, dass die Teilnehmer in der Gruppe mit den Anfeuerungen alle 20 Sekunden mit den höchsten Laktatwerten aller Teilnehmer aufwarten konnten. Dies spricht dafür, dass die Zurufe dazu führten, dass die Teilnehmer stärker versuchten, an ihr Limit zu kommen als die Teilnehmer der anderen Experimentalgruppen.

Es scheint also, als wäre eine Veranstaltung zu empfehlen, bei der möglichst viele Leute an der Strecke stehen, bei der also viel los ist. Aber schauen wir noch etwas tiefer auf Forschungsergebnisse: Was würden Blanchfield und seine Gruppe (2014) sagen, nachdem sie Probanden auf Ergometern unter verschiedenen Bedingungen bis zur Ermüdung fahren ließen? Einmal zeigten sie ihren Teilnehmern subliminal fröhliche und traurige Gesichter und untersuchten die Wirkung. Es zeigte sich, dass Probanden, die fröhlichen Gesichtern zugeordnet wurden, signifikant länger durchhielten. Interessanterweise lag dies darin begründet, dass diese Gesichter die Stimmung der Teilnehmer aufhellten und somit die wahrgenommene Belastung reduzierten. 

Entscheidungshilfe

Sind alle anderen Variablen gleich, dann wird der Läufer auf einer Strecke mit vielen enthusiastischen Zuschauern voraussichtlich besser abschneiden als bei der kleinen Veranstaltung über Felder und Wiesen. Unter anderem liegt diesem der audience effect zu Grunde, der sowohl über die Motivation wirkt als auch über die Wahrnehmung des Läufers, das es gar nicht so hart ist. 

Die Entscheidung muss aber jeder Sportler für sich allein treffen. Gern natürlich mit Unterstützung der Sportpsychologie. Meine Kollegen (zu den Profilen) und ich (zum Profil von Christian Hoverath) sind gern bereit, nicht nur bei der Saisonplanung, sondern auch bei der gezielten Vorbereitung auf Events zu helfen.

Mehr zum Thema:

Literatur

Andreacci, J.L., LeMura, L.M., Cohen, S.L., Urbansky, E.A., Chelland, S.A. & von Duvillard, S.P. (2002). The effects of frequency of encouragement and performance during maximal exercise testing. Journal of sports science 20(4): 345-352.

Blanchfield, A., Hardy, J. & Marcora, S. (2014). Non-concious visual cues related to affect and action alter perception of effort and endurance performance. Frontiers in Human Neuroscience.  

Hamilton, A. & Lind, F. (2016). Audience effects: What can they tell us about social neuroscience, theory of mind and autism? Culture and brain 4: 159-177. doi: 10.1007/s40167-016-0044-5.

Rhea, M. D., Landers, D. M., Alpha, B. A. Und Arendt, S. M. The effects of competition and the presence of an audience on weightlifting performance. Turn off strength and conditioning research 17 (2):303-306. 

Triplett N. (1898). The dynamogenic factors in pacemaking and competition. The American Journal of Psychology 9(4):507–533. doi: 10.2307/1412188.

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Christian Hoverath
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