Jürgen Walter: Schluss mit lustig

Für Sehenswertes bei den Olympischen Winterspiele in Pyeongchang sorgten die Sportler nicht nur im Wettkampf, sondern auch privat. Im Netz machten einige mehr oder weniger witzige Clips die Runde. Ein – nicht zuletzt via BBC Sport – sehr bekannt gewordenes Video zeigt einen Schweizer Olympiaathleten in waghalsigen Missionen. Dabei handelt es sich um eine Hubwagenfahrt ein Parkdeck hinunter oder das seitliche Anhängen an eine Rolltreppe, um eine Etage hinaufzusteigen. Sind solche Aktionen wirklich noch Spaß, um sich mental auf den Wettkampf vorzubereiten, oder werden hier Grenzen überschritten?

Zum Thema: Wie viel Spaß ist erlaubt?

Spaß ist generell nie falsch, denn eine Tätigkeit aus intrinsischer Motivation durchzuführen, zeigt erst, dass der Sportler für seine Sportart lebt. Das vollkommene aufgehen in einer Tätigkeit, führt laut der Flow-Theorie von Csíkszentmihályi (1985) zu einem Flow-Zustand. In diesem ist der Sportler vollkommen fokussiert und konzentriert auf die eigentliche Aufgabe. Eben einen solchen Zustand sollten die Sportler natürlich auch im Wettkampf erreichen, da ein Flow-Erleben die ideale Performance ermöglicht (Csíkszentmihályi, 1985).

Die Vorteile von positiven Gefühlen auch in der Freizeit während sportlicher Wettkämpfe sind ersichtlich. Zum einen verbessert Spaß die Regeneration nach Wettkämpfen und hilft negative sportliche Ereignisse zu verarbeiten. Denn generell gilt, dass die Freude am Spiel die Furcht vor einem möglichen Misserfolg aufwiegt. Wird eine sportliche Situation spaßhaft durchlebt, so kann das nach dem ABC-Modell von Ellis (1957) die Gedanken an negative Situationen verändern. Daraus resultiert eine veränderte Konsequenz aus dem ein oder anderen negativen Erlebnis. Die Sportler lernen, wie ihre eigenen Gedanken wirken und schaffen es, sich weiterhin zu motivieren (Ellis, 1977). Trägt der Sportler diese positiven Gedanken in die Wettkampfsituation, steigert das die Wahrscheinlichkeit den Flow-Zustand zu erreichen. Dadurch kann das volle Leistungspotential in der Wettkampfsituation ausgeschöpft werden und die vorher gesetzten Ziele besser erreicht werden Somit ist Spaß sowohl innerhalb als auch außerhalb von Wettkampfsituationen nicht nur erlaubt, sondern zwingend notwendig  um mental stark zu sein und eine ideale Performance abzuliefern (Csíkszentmihályi, 1985).

Das Problem mit “zu viel Spaß”

Dass zu viel Spaß auch negative Seiten in Bezug auf den Wettkampf haben kann, ist ersichtlich. Einerseits führt „zu viel“ Spaß zu mangelnder Ernsthaftigkeit und Konzentration vor und in Wettkampfsituationen und führt dazu, in unpassenden Situationen zu leichtfertig zu werden. So kann ein Übermaß an Spielfreude etwa dazu führen, im Spiel mehr Risiko als nötig einzugehen und dadurch die Wahrscheinlichkeit von Gefährdungen und Verletzungen zu erhöhen. Ein gutes Beispiel ist das zu Beginn erwähnte Video auf Twitter.

Selbstverständlich sind bei Olympia nur die Topathleten des Landes vertreten, sodass sich keine Sorge über das Halten von Körperspannung, Kraft oder ähnlichem in solch waghalsigen Situationen gemacht werden muss. Trotzdem regen solche Aktionen zum Nachdenken an, wie viel Spaß erlaubt ist. Denn trotz allem gilt immer, der Spaß hört da auf, wo Sicherheitsbelange berührt sind. Es steigt die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls und dann ist Ende mit sportlicher (Höchst-)Leistung.

Fazit

Wie viel Spaß erlaubt ist, bleibt eine individuelle Frage. Die Sportler haben im Verlaufe ihrer Wettkämpfe eigene Rituale entwickelt mit Erfolgen, Misserfolgen und der Nervosität vor Wettkämpfen umzugehen, um ihre Leistung zu bringen. Daher lassen Sie die Sportler so viel Spaß haben wie sie wollen, wenn es ihnen dabei hilft, gut zu sein – wenn es drauf ankommt. Nur eins sollte immer im Fokus stehen: die Sicherheit. Dass Vorbeugen von Unfällen sollte für keinen Spaß der Welt vernachlässigt werden. 

 

Film “Praxis der Sportpsychologie”

Jürgen Walter ist im Sinne der Sportpsychologie auch zum Filmemacher geworden. Wenn Sie seine Dokumentation, die unter anderem im Bayrischen Rundfunk zu sehen war, auf DVD erhalten wollen, können Sie den Film (u.a. mit Mats Hummels) hier beziehen:

http://www.walter-sportpsychologie.de/aktuelle-filmprojekte-praxis-der-sportpsychologie.html

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Quellen:

Ellis, A. (1977). The basic clinical theory of rational-emotive therapy. Handbook of rational-emotive therapy1, 3-34.

Csikszentmihalyi, M. (1985). Das Flow-Erlebnis. Jenseits von Angst und Langeweile: Im Tun aufgehen. Stuttgart.

BBC. (2018) Twitter. Verfügbar unter: https://twitter.com/BBCSport (17.02.2018).

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Jürgen Walter
Jürgen Walterhttp://www.die-sportpsychologen.de/juergen-walter/

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1 Kommentar

  1. Hallo Jürgen

    Den Hubwagen fand ich grenzwertig und risikobehaftet. Nicht oder nur marginal kontrollierbar.

    Die Rolltreppenaktion ist jedoch Schritt für Schritt entstanden und hat wenig mit unnötigem Risiko zu tun. In dieser Sportart gehört Risikomanagement zum Alltag. Vom Trainer wird es begrüsst.

    Natürlich kann zu viel Spass und „Larifari“ leistungshinderlich sein. Ein gute und positive Stimmung begünstig jedoch die Leistung, da sie die intuitive Verhaltenssteurung aktiviert. Im Gegensatz dazu wirkt ein zu starkes Wollen/zu viel denken und konzentrieren handlungshemmend (PSI-Theorie, Kuhl).

    Ich habe Sportler begleitet, die durch den Spass vor dem Wettkampf ihre Wettkampfleistung deutlich steigerten.

    Damit wären wir wieder beim Mass und der individuellen Betreuung 😉

    Lieber Gruss

    Martin

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