Andreas Meyer: Richtig bewerten lernen

Athleten sind keine Maschinen, sondern Individuen, welche ihre erbrachte Leistung unterschiedlich bewerten und verschiedene Motive bei der Ausübung ihres Sports verfolgen. Nachdem es in den bisherigen Teile der Serie “Zielsetzung und Motivation im Sport” um die Strategie zur Zieldefinition, verschiedener Arten von Zielen und den Einflussfaktor Zeit ging, steht im vierten Teil nun die Ursachenzuschreibung im Fokus. Diese kann fulminante und fatale Folgen haben.  

Zum Thema: Zielsetzung und Motivation im Sport (Teil 4)

„Bewerten verändert das Bewertete“ (Georg Wilhelm)

Der Attributionsstil des Sportlers in Bezug auf seine positiven und negativen Leistungen kann laut Martin Seligmann in acht Kategorien eingeordnet werden. Dabei werden folgende Ursachen für ein Verhalten bzw. Abschneiden verantwortlich gemacht.

Intern vs. Extern

Stabil vs. Variabel

Generell vs. Spezifisch

Diese Attributionsstile erkläre ich anhand eines Beispiels: „Wie kann es sein, dass ich dieses Spiel verloren habe?“

Führen bestimmte Attributionen zu Depressionen?

Laut Seligmann führt ein Attributionsstil, der schlechte Ergebnisse ständig als intern-stabil-generell sieht zu starken Problemen bis hin zu Depressionen, da der Athlet seine Situation als sein eigenes Versagen beurteilt, welches immer auftritt und er es auch nicht bewältigen kann (auch wenn dies offensichtlich nicht so ist).

Ein Sportler der immer extern-variabel-spezifisch bewertet, wird den Grund des Versagens immer in den anderen sehen. Die Versagenssituation wird als Ausnahme betrachtet, die aber nur hin und wieder mal vorkommt. Wichtig: Generell ist keiner der Attributionsstile als schlecht zu verurteilen. Wichtig ist, dass der Athlet die Situation realistisch bewerten kann.

Attribution verrät viel

In Bezug auf die Zielsetzung ist es sehr interessant zu betrachten, welche Art von Attribution der Sportler standardmäßig anwendet. Dies kann in Bezug auf das Setzen von Zielen wichtige Erkenntnisse liefern. Ein Athlet, der beispielsweise ständig intern-stabil-generell bewertet, läuft Gefahr, bei ständigen Misserfolgen, stark an Selbstvertrauen zu verlieren. Daher kann es hier sinnvoll sein, die Wahrscheinlichkeit zum erfolgreichen Erreichen des Ziels zu erhöhen. Dieser Athlet braucht einfach mehr Erfolge als jemand, der sein Versagen immer den äußeren Umständen zuschreibt.

Der ständig extern attribuierende Sportler wird sehr selten seine eigenen Fehler entdecken und somit seine Leistung nicht dauerhaft verbessern können. Denn er selbst scheint ja keinen Einfluss auf das schlechte Abschneiden zu haben.

Zuschreibung von Erfolgen

Jetzt haben wir uns hauptsächlich mit dem Beurteilen von Versagen beschäftigt, jedoch ist auch das Zuschreiben von Erfolgen ein elementarer Bestandteil. Hier verhält es sich nahezu andersherum. Werden die Erfolge hauptsächlich extern attribuiert, so ist der Hauptverantwortliche für das Abschneiden immer der Zufall. Attribuiert der Athlet seinen Erfolg allerdings auf seine hervorragende Vorbereitung zur Saison (intern-variabel-spezifisch), so wird er an Selbstvertrauen und Motivation gewinnen.

Hierbei wird das Kommittent des Sportlers mit den Zielen wieder interessant. Es kann sehr sinnvoll sein, wenn der Athlet seine Ziele vorher als realistisch und ihm zugehörig festlegt. Dies kann bei der späteren Bewertung des Erfolgs (auch bei Sportlern, die Erfolge gerne dem Zufall zuschreiben) thematisiert werden, da der Sportler dieses Ziel als durch sich erreichbar anerkannt hat. Eine unrealistische externe Attribution des Erfolgs kann somit umgangen werden und der Sportler geht gestärkt aus seiner Erfolgssituation hervor – denn er weiß, er selbst hat etwas Tolles geleistet.

Fazit

Achtet bei der Bewertung eurer Leistung, nicht nur darauf, ob ihr das Ziel erreicht habt. Haltet die Augen offen und schaut, ob euer Attributionsstil tatsächlich eine realistische Bewertung eurer Leistung ist.

Alle Texte der Blog-Serie von Andreas Meyer zum Thema Ziele:

Teil 1:

http://www.die-sportpsychologen.de/2017/07/18/andreas-meter-wo-fuehren-deine-ziele-hin/

Teil 2:

http://www.die-sportpsychologen.de/2017/07/25/andreas-meyer-welches-ziel-strebe-ich-an/

Teil 3:

http://www.die-sportpsychologen.de/2017/08/07/andreas-meyer-ziele-vs-zeit/

Zur Profilseite von Andreas Meyer:

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