Ali Faisal: Negative Gedanken hänge ich an die nächste Wolke oder gebe sie einem Vogel mit

Bei der Tischtennis WM in Düsseldorf war Ali Faisal nur eine sportliche Randnotiz. Der 42-jährige Pakistani, der seit 2007 in Deutschland lebt, schied nach drei Niederlagen als Letzter der 62. Qualifikationsgruppe aus. Im Interview berichtet der zweifache Familienvater, der für Borussia Dortmund in der 2. Bundesliga und Oberliga spielte und zuletzt in der NRW-Liga bei GSV Fröndenberg aktiv war, über seine Zusammenarbeit mit Jürgen Walter von die-sportpsychologen.de.

Walter arbeitet seit einer Vortragsreise im 2012 mit der pakistanischen Tischtennis-Nationalmannschaft, die im vergangenen Jahr den Sprung aus der vierten in die dritte Division schaffte, aber immer wieder mit administrativen und organisatorischen Problemen zu kämpfen hat. Vor Jahren wurde Walter so schon zwischenzeitlich zum Teamkoch und versorgte die Delegation während der Teamweltmeisterschaft 2012 in Dortmund in der heimischen Küche. Mit Ali Faisal arbeitet er seit mehreren Jahren intensiver: In der Regel trainieren beide im zweiwöchigen Rhythmus miteinander. Ende 2017 begibt sich Walter erneut auf eine Vortragsreise nach Pakistan. 

Jürgen: Bei der Akkreditierung des Teams Pakistan bei dieser WM gab es mehrere Schwierigkeiten, was ist passiert?

Ali: Einige Spieler und Spielerinnen haben ihr Visum nicht rechtzeitig bekommen und konnten so nicht anreisen. Das Organisationsteam hatte auch eine Email von uns missverstanden und viel mehr Zimmer gebucht, als von uns benötigt. Es sollten so noch hohe Hotelkosten auf den pakistanischen Verband zukommen.

Jürgen: Wie ging die Geschichte aus?

Ali: Unser Präsident hat in einer wirklich dreistündigen Verhandlung alles klären können, so dass die Organisatoren letztlich unserer Argumentation folgen mussten.

Jürgen: Inwieweit haben Dich diese Schwierigkeiten in Deiner Vorbereitung beeinträchtigt?

Ali: Soweit gar nicht: Ich konzentriere mich auf den Sport und bin stolz für mein Land zu spielen. Da ich aber als einiziger männlicher Spieler neben zwei Spielerinnen für Pakistan antreten musste, fehlte mir ein Trainingspartner. Ich konnte mich nicht einspielen, weil es üblich ist, dass sich die Spieler lange im Voraus verabreden.

Jürgen: Du hast in der Vorrunde in einer Vierergruppe gespielt und alle drei Spiele 0-4 verloren. Warst Du enttäuscht?

Ali: Nein, ich musste da von vorner herein realistisch denken. Ich bin derzeit etwa Nr. 950 in der Welt. In der Gruppe habe ich gegen Spieler aus Portugal, Estland sowie von den Philippinen gespielt, die sind in der Welt etwa an Pos. 50, 150 und 200. Das sind Vollprofis. Ich habe für meine Verhältnisse sehr gut gespielt und hätte auch einige Sätze gewinnen können.

Jürgen: Wie hast Du Dich im Vorfeld motiviert um dennoch bei dem Leistungsunterschied jeweils ein gutes Spiel abzuliefern?

Ali: Ich gehe jedes Spiel so an, als ob es ein wichtiges Trainingsspiel ist. Dabei versuche ich mein bestes Spiel abzurufen. Sobald negative Gedanken auftauchen, d.h. Gedanken, die lediglich eine Vermutung, aber keine Tatsache sind und die mir außerdem auch nicht nützen, z.B.: “Wenn ich so weiterspiele, verliere ich!” stelle ich mir sofort vor, dass ich diese Gedanken an die nächste Wolke hänge oder dem nächsten Vogel mitgebe.

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Jürgen: Wie gelingt das?

Ali: Ich sage mir nach jedem Ballwechsel, es steht 0:0 und ich mache den nächsten Punkt. Ich beschumnmele mich quasi selber. Gleichzeitig versuche ich mir Spielfreude einzureden. Das Glas ist für mich immer halbvoll und nie halbleer.

Jürgen: Das hört sich aber nicht so einfach an.

Ali: Das stimmt. Bei der Verbesserung der mentalen Stärke muss man dran bleiben. Es ist bei mir selbstverständlicher Teil meines Trainings. Vor unserer Zusammenarbeit habe ich sportpsychologische Aspekte praktisch überhaupt nicht berücksichtigt. Dennoch erwische ich mich auch immer noch dabei, dass ich manchmal negativ denke.

Jürgen: Da ist normal, Du kannst nicht gegen Gedanken kämpfen, Du musst sie akzeptieren. Der Mensch ist keine Maschine. Hättest Du gedacht, dass Ma Long erneut Weltmeister werden würde?

Ali: Ma Long ist der derzeit weltbeste Spieler, obwohl er im Finale gegen Zhendong Fan im 7. Satz nur sehr knapp gewonnen hat. Ich hätte aber gedacht, dass er im Doppel mit Timo Boll sehr weit kommt. Sie sind aber früh ausgeschieden.

Jürgen: Wann ist Dein nächstes Turnier?

Ali: Im Dezember finden die pakistanischen Landesmeisterschaften in Karachi statt. Trotz vieler junger Spieler habe ich dort eine Chance auf den Sieg.

Jürgen: Viel Erfolg und weiterhin viel Spaß für Deine Spiele!

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