Dr. René Paasch: Sprachbarriere im Fußball?

Uli Hoeneß möchte, dass die Spieler von Bayern München Deutsch als Umgangssprache nutzen. Hoeneß in der Sport Bild: „Es muss wieder Deutsch in der Kabine gesprochen werden, die Sprache ist ein Bindeglied. Ansonsten gibt es Grüppchen. “Er verband dies mit einer Forderung: “Ein Spieler muss Deutsch lernen, das muss eine Vorschrift werden. Ansonsten muss er eben zahlen.” Ohne das Erlernen der deutschen Sprache, glaubt der 64-Jährige, “kann sich ein Spieler auf Dauer nicht richtig bei uns integrieren”. Dieser Frage möchte ich nun in diesem Beitrag nachgehen.

Zum Thema: Stehen sprachliche Barrieren im Zusammenhang mit höherer individueller Leistung?

Als Zuschauer ist man sich meist der Tatsache nicht bewusst, dass der Arbeitsplatz eines Fußballers oder Fußballtrainers sehr stark durch Mehrsprachigkeit geprägt ist. Wie funktioniert eigentlich die Kommunikation in Fußballmannschaften, in denen Spieler mit unterschiedlichen Muttersprachen als Team auftreten sollen? Jasmin Steiner ging dieser Frage nach im Rahmen der „Innsbruck Football Research Group.“ Anhand von Interviews mit Spielern und Trainern verschiedenster Clubs konnte sie erste Ergebnisse liefern. Dabei wurde schnell klar, dass in diesem bisher wenig erforschten Bereich ein großer Nachholbedarf besteht. „Es gibt immer noch den weit verbreiteten Glauben, dass es für den fußballerischen Erfolg keine Rolle spielt, ob Spieler aus dem Ausland die Sprache des jeweiligen Vereins verstehen oder nicht (Lavric/Steiner 2011,2012). “

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Ihre Forschungsergebnisse legen aber die Vermutung nahe, dass die sprachliche Integration ausländischer Spieler direkt mit der Qualität der spielerischen Leistung zusammenhängen kann. Die Eingliederung in die neue Mannschaft ist einer der absolut wichtigsten Aspekte für einen Spieler, dessen Ziel ja darin besteht, die eigenen Leistungen kontinuierlich abzurufen und sich als potenzieller Stammspieler durchzusetzen. Die Sprache spielt bei dieser Integration eine entscheidende Rolle. Das frühere Trainerteam Walter Kogler und Florian Klausner von FC Wacker Innsbruck  teilen die Meinung, dass die Sprache und die persönliche Leistung eng in Verbindung stehen und bestätigen, dass je mehr ein ausländischer Spieler die Sprache des jeweiligen Vereins beherrschen, es ihm desto eher gelinge, sein Können unter Beweis zu stellen. Um mögliche Schwierigkeiten vorzubeugen, möchte ich Ihnen dazu einige gedankliche Anregungen anbieten:

1) Onboarding

Onboarding (aus dem engl. Onboarding, wörtlich für „An-Bord-Nehmen“) ist ein Begriff aus dem Personalmanagement. Er bezeichnet innerhalb der Personalbeschaffung den Einarbeitungs- und Integrationsprozess neuer Mitarbeiter durch ein Unternehmen und v. a. alle Maßnahmen, die die Eingliederung fördern (Brenner, 2014). Zum Onboarding-Prozess gehören z.B.  Zielvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Sportler und Trainer), aber auch Paten- und Mentoren-Programme sowie externes Coaching, um jeweils die fachliche, soziale und werteorientierte sprachlichen Barrieren der neuen Mannschaftskollegen zu fördern. Je mehr der Verein und die Mannschaft bereit ist, den neuen Mitspieler zu unterstützen, desto schneller wird dieser in der Lage sein, sich einzubringen und wohlzufühlen. Besonders am ersten Trainingstag kommt beim Onboarding-Prozess eine hohe Bedeutung zu, da sich die Einstellungen des neuen Mitspielers bereits innerhalb der ersten Kontaktsituationen bilden. Daher ist es wichtig, bereits früh die richtigen Signale zu senden und als Vorbild voranzugehen.

2) Vorbildfunktion

Profifußballer prägen die Entwicklung von unzähligen Kindern in Deutschland und nehmen durch ihr Verhalten Einfluss auf Werte, Einstellungen und Verhalten der Heranwachsenden. Diese Relevanz und den prägenden Einfluss unterstreicht auch Wallrodt (2011) anhand der Querschnittsstudie, die darlegt, dass 40% aller Befragten ihren Lieblingsspieler als persönliches Vorbild und sogar 55% als gutes Vorbild für die Gesellschaft ansehen. Umso wichtiger ist es, dass im professionellen Fußball deutliche Zeichen gesetzt werden, um die Relevanz der sprachlichen Barrieren herauszustellen. Verbände, Vereine, Funktionäre, Trainer und Spieler müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein.

3) Kommunikationsmittel  

Wichtig ist, dass im Fußball das häufigste Kommunikationsmittel nun mal die Sprache ist. Egal, ob bei technischen oder taktischen Anweisungen, während einer Trainingseinheit oder während eines Meisterschaftsspieles, bei Teambesprechungen, bei physiotherapeutischen Maßnahmen oder bei organisatorischen Gesprächen, wird die Verbalität definitiv bevorzugt. Nicht zu unterschätzen sind daneben natürlich sämtliche Formen der nonverbalen Kommunikation, da selbst die geringste Geste bei Spielzügen oder Anweisungen seitens der Trainer, aber auch der Spieler, entscheidend sein kann. Des Weiteren spielen audiovisuelle Medien eine Rolle, indem Videos von eigenen Spiel- und Trainingseinsätzen sowie von Spielen der gegnerischen Mannschaften gemeinsam analysiert werden. Selbst zeichnerische Kommunikation hat ihre Bedeutung, da oftmals Spielzüge zusätzlich auf Flipcharts näher gebracht werden. Alle diese Maßnahmen können unabhängig von der Umgangssprache Deutsch zum Einsatz kommen, denn sie dienen dem besseren Verständnis der gesamten Mannschaft.

Fazit:

Die Ideologie von der „universellen Sprache im Fußball“, die auf der ganzen Welt identisch sein soll und die daher Bemühungen um sprachliche Integration unnötig macht, werden Kommunikationsschwierigkeiten aufgrund von Sprachbarrieren einfach untergraben. Denn eine erfolgreiche Zusammenarbeit innerhalb einer Fußballmannschaft jeglicher Spielklasse hängt nicht allein von den rein sportlichen Fähigkeiten der Spieler ab. Auch die Kommunikation in der Mannschaft und insbesondere der sprachliche Aspekt sind mindestens genauso relevant, um tatsächlich große Erfolge verbuchen zu können. Sobald ein Klub vorhat, einen ausländischen Spieler unter Vertrag zu nehmen, ergeben sich daher etliche Situationen, in denen Sprachkenntnisse unabdingbar sind. Ob bei Transferverhandlungen, beim Aufsetzen und bei der Unterzeichnung des Vertrages, beim ersten persönlichen Kontakt mit den Mitarbeitern des Vereins und bei der Integration des Spielers in das neue Mannschaftsgefüge und in die neue Kultur: Ohne Sprachkenntnisse ist es nicht möglich, eine gelungene Kommunikation auf Dauer zu führen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen auch den Blogbeitrag von Prof. Dr. Oliver Stoll empfehlen:

Prof. Dr. Oliver Stoll: Hohe Hürde Muttersprache

 

Literaturhinweise

Brenner, D. (2014): Onboarding: Als Führungskraft neue Mitarbeiter erfolgreich einarbeiten und integrieren. Springer Gabler

Lavric, E./Steiner, J. (2011). Wenn er die Sprache kann, spielt er gleich besser – 11 Thesen zur Mehrsprachigkeit im Fußball.

Wiemann, U. 2010. „Ich habe fertig“. Über die Bedeutung von Sprache im Profifußball. In: Blecking, Diethelm/Dembowski, Gerd (eds.): Der Ball ist bunt. Frankfurt am Main: Brandes & Aspel.

 

Internet:

https://www.welt.de/sport/fussball/article13780967/Das-groesste-Vorbild-der-Bundesliga-ist-Cacau.html

 

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Prof. Dr. René Paasch
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