Marc Pschebizin: „Bei einem Langdistanztriathlon bist du permanent am Einstellen deiner Psyche“

 

IMG_2345Für die-sportpsychologen.ch berichtet:

Marc Pschebizin

Als aktiver Leistungssportler siegte Marc Pschebizin bei einem der härtesten eintägigen Ausdauerevents, dem Inferno Triathlon im Berner Oberland, unglaubliche zehn Mal, was ihm den Übernamen „Mister Inferno“ einbrachte. Zudem feierte der 42-jährige Deutsche in seiner Profikarriere zahlreiche Erfolge im Duathlon und bei Multisport-Events. Als Coach und Management-Trainer betreut der studierte Sportwissenschaftler seit vielen Jahren Freizeit- und Spitzenathleten, Unternehmen und Führungskräfte.

Mehr Infos unter: www.proficoaching.net

 

Marc Pschebizin, du hast den Inferno Triathlon über 155 Kilometer und 5500 Höhenmeter von Thun aufs Schilthorn zehn Mal gewonnen. Welche Rolle spielt die Psyche bei einem Wettkampf wie dem Inferno Triathlon?

Die spielt aufgrund der Länge des Rennens auf jeden Fall eine grosse Rolle. Bei einem Langdistanztriahtlon bist du permanent am Einstellen deiner Psyche. Du führst ständig ein Gespräch mit dir selbst und am Ende, wo es wirklich schwer wird und die Muskulatur und der Organismus erschöpft sind, läuft das Rennen hauptsächlich über den Kopf. Wenn du da abschaltest und denkst „ich schaffe das sowieso nicht “, dann hast du eigentlich schon verloren.

Ich habe dies bei meinem Sieg am Inferno 2012 gemerkt, als sich eine Art Krimi zwischen mir und Sämi Hürzeler [2. Platz] abspielte. Zu Beginn der abschliessenden Laufstrecke hatte ich mit mehreren Minuten Vorsprung in Führung gelegen, er kam mir jedoch auf der ersten Hälfte des Laufes sehr schnell näher und hatte zwischenzeitlich nur noch eine Minute Rückstand. Da dachte ich, „ wenn er in so kurzer Zeit so nah an deine Füsse kommt, kann er dich eigentlich nur noch einholen“. Sämi war im Jahr zuvor, als er gewonnen hatte, an ähnlicher Stelle an mir vorbeigezogen. Damals war das Rennen für mich quasi gelaufen. Ich bin in eine Art Lethargie reingerutscht, in der mir alles egal war. In solchen Momenten spielst du auch mit dem Gedanken, am Streckenrand einfach ins Hotel abzubiegen. Dies habe ich jedoch unterlassen, weil ich wusste, wie schwer das Aufgeben im Nachgang zu bewältigen ist. Deshalb war die Angst im Jahr 2012 schnell wieder da, und ich musste den Gedanken „du schaffst es sowieso nicht“ quasi umkonditionieren. Ich habe für mich dann entschieden, weiterzukämpfen und zu versuchen, den Abstand möglichst konstant zu halten. Es war interessant zu sehen, wie man die Karte selbst in einem total erschöpften Zustand nochmals umdrehen kann. Entweder Du verlierst den Glauben an dich, was sich zu 100% in deiner Leistungsfähigkeit bemerkbar macht oder du versuchst zu kämpfen. Dies lässt sich als kontinuierliches Verhandeln mit Dir selbst beschreiben; ein Prozess, welcher auch einen grossen Teil deiner Aufmerksamkeit beansprucht.

Was meinst du genau, wenn du sagst, die Aufgabe eines Rennens sei im Nachgang extrem schwer zu bewältigen?

Gegen Ende eines Rennens kommen meistens Situationen, wo du nicht mehr weiter willst, in denen dich die Kraft verlässt und du dich ein Stück weit aufgeben willst. Aus dem Rennen auszusteigen, sollte jedoch immer die letzte Option sein, welche im Grunde nur bei Verletzungen zulässig ist. Ansonsten wirst du am Ende immer einen sehr negativen Beigeschmack mitnehmen. Ausserdem wird dir das Aufgeben immer leichter fallen, wenn du dies zwei, drei Mal gemacht hast. Du hast sozusagen immer einen Seitenausgang, der dir Erleichterung verschafft.  Selbst wenn du dein Ziel, zum Beispiel eine angestrebte Zeit oder Rangierung, nicht mehr erreichst, lohnt es sich immer ein Rennen zu beenden.

Ich habe diese kritischen Momente oftmals meistern können, indem ich mir vor Augen geführt habe, dass ich ähnliche Situationen in der Vergangenheit bereits erfolgreich bewältigt habe und indem ich mir neue Ziele steckte, zum Beispiel zu finishen oder eine andere Zeit anzupeilen. Das ist etwas, was ich auch meinen Athleten mitgebe. Versuch dir verschiedene Szenarien klar zu machen, welche während eines Rennens passieren können und gehe diese bereits vorher durch. Du bist dann nicht so überrascht, wenn es im Rennen nicht nach Plan verläuft. Die Athleten müssen sich darauf einstellen, dass es schwer wird, dass sie auch eine mentale Grenze durchbrechen müssen. Nicht nur das physische Training muss gut sein für den Saisonhöhepunkt, sondern du musst auch im Kopf bereit sein. Du musst es wollen und du musst es auch unter Widerstand zu Ende bringen wollen.

Du betreust seit 16 Jahren als Coach Athleten in den unterschiedlichsten Leistungsklassen. Welche Probleme oder Defizite im mentalen Bereich sind Dir dabei am häufigsten begegnet?

Jeder Athlet ist individuell und bringt sportlich wie auch menschlich unterschiedliche Voraussetzungen mit. Häufig sehe ich jedoch, dass die Athleten, sobald es Richtung Hauptwettkampf geht, sehr unsicher werden. Die Zuversicht, die sie einmal hatten, ist wie verflogen. Aus den sozialen Medien erfahren sie, was andere trainiert haben oder sie schauen sich Trainingsliteratur an und plötzlich kommen die Zweifel „Habe ich genug trainiert?“, „Habe ich das Richtige trainiert?“. So kurz vor dem Wettkampf geht es jedoch darum, sich nur noch auf sich selbst zu fokussieren und seinen Fähigkeiten zu vertrauen, was vielen, selbst Spitzenathleten, oftmals nicht gelingt.

Im Gegenzug gibt es aber auch Athleten, die über Leichen gehen. Sie schauen nicht mehr nach rechts oder links und bringen am Tag X ihre Leistung. Mental starken Leuten gelingt es zudem extrem gut, sich in schwierigen Phasen während des Wettkampfes umzukonditionieren. Dazu braucht es einerseits viel Erfahrung, andererseits aber auch eine gewisse Kaltschnäuzigkeit.

Welche mentalen Fähigkeiten zeichnen einen erfolgreichen Triathleten noch aus? Unterscheiden sich diese je nach Wettkampfdistanz?

Erfolgreiche Sportler geben nicht auf. Sie verfolgen ihr Ziel trotz Rückschlägen immer weiter. Zudem gelingt es ihnen, Niederlagen als Chancen zu sehen und daraus zu lernen. Je länger die Strecke, desto wichtiger ist meines Erachtens die mentale Konstitution.  Bei kürzeren Rennen bist du oft an der maximalen Leistungsgrenze. Zwar brauchst du da ebenfalls mentale Stärke, aber je länger das Rennen dauert, desto mehr Zeit hast du, dich mit dir selbst auseinanderzusetzen und diese Dämonen, die dich befallen, nehmen einfach deutlich zu.

 

Interview: Monika Tschudi

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de