Philippe Müller: Sinn und Unsinn des Teambuildings

Teambuilding-Massnahmen sind aus dem Sport und der  Wirtschaft nicht mehr wegzudenken. Dabei reichen die Massnahmen von einfachen Gruppenarbeiten, über Workshops bis hin zu ausgefallenen Outdoor-Events. Das beabsichtigte Ziel bleibt bei allen Arten das Gleiche. Durch die gemeinsamen Unternehmungen soll der Zusammenhalt und somit die Leistung einer Gruppe gesteigert werden. So reiste der Bundesligist FSV Mainz 05 kurzerhand vor dem Trainingslager im spanischen Marbella für drei Tage in die Schweizer Berge. Nebst Konditionstraining standen Schneeschuhwanderung und Übernachtung in einem Zeltlager auf 2700 Meter Höhe auf dem Programm.

Zum Thema: Bringen Teambuilding-Massnahmen Erfolg?

Im Zentrum des eingangs erwähnten Themas steht eine Gruppe oder eine Mannschaft. Ganz einfach kann man sagen, dass eine Gruppe gegeben ist, „wenn sich zwei oder mehr Personen als Mitglieder einer Gruppe definieren“ (Nijstad & van Knippenberg, 2007, S. 411). Eine etwas detailliertere Unterteilung von Gruppen anhand von charakteristischen Merkmalen nehmen Lickel, Hamilton, Wieczorkowska, Lewis, Sherman und Uhles (2000) vor. Nach ihnen werden Sportmannschaften der aufgabenbezogenen Gruppe zugeordnet. Diese zeichnet sich vor allem durch hohe gemeinsame Ziele und hohe gemeinsame Handlungsergebnisse aus. Ebenfalls sind die Interaktionen und die Entitativität (der Gruppenzusammenhalt) hoch ausgeprägt.

Durch die Definitionen wird der Gegenstand einer Teambuilding-Massnahme klarer. Ein zentrales Merkmal ist die Entitativität (der Gruppenzusammenhalt). Das berühmte Zitat von Sepp Herberger „11 Freunde müsst ihr sein“ steht als Inbegriff für den Stellenwert des Gruppenzusammenhalts. Mit einem guten Mannschaftszusammenhalt wird das Ziel verfolgt, die grösstmögliche Leistung zu erbringen und somit Erfolg zu haben.

Doch welchen Einfluss hat der Zusammenhalt auf die Leistung?

Es lassen sich sowohl zahlreiche Studien finden, welche einen positiven, als auch solche, welche einen negativen Zusammenhang aufzeigen. Und wie sieht es mit der Richtung des Zusammenhanges aus? Führt also gute Leistung (Erfolg) zu höherem Zusammenhalt oder der gute Zusammenhalt zu mehr Erfolg? Auch wenn sich aus wissenschaftlicher Sicht keine eindeutige Aussage treffen lässt, sprechen einige Punkte für die teambildenden Massnahmen (vgl. Carron, Colman, Wheeler & Stevens, 2002).

Auch wenn sich der Effekt des Zusammenhalts auf den Erfolg nicht eindeutig nachweisen lässt, (dies ist zu einem grossen Teil der Tatsache geschuldet, dass Erfolg von vielen Faktoren abhängig ist. Ein einzelner Faktor in einem Feldexperiment zu kontrollieren und isoliert zu betrachten, ist nahezu unmöglich) können Faktoren, welche Einfluss auf den Erfolg haben, beeinflusst und trainiert werden. Allgemeine Ziele von Teambuilding-Massnahmen können somit sein, bessere Rollenverständnisse zu schaffen, die Kommunikation innerhalb der Mannschaft zu verbessern, die gegenseitige Unterstützung zu steigern, effektive Problemlösestrategien zu entwickeln, das Konfliktmanagement zu verbessern und die Kooperationen innerhalb der Gruppe zu verstärken.

Teambuilding-Massnahmen – Ein stumpfes Schwert?

Teambuilding-Massnahmen sollten gut durchdacht und geplant werden. Der Zeitpunkt der Intervention muss in Abhängigkeit des Ziels ausgewählt werden. Zum Beispiel sollte eine Massnahme, die das Ziel verfolgt, die Rollenakzeptanz (was ist die Aufgabe jedes einzelnen im Team) zu steigern, zu Beginn einer Saison durchgeführt werden. Auch bei der Auswahl der Inhalte ist Sorgfalt angebracht, um negative Effekte auszuschliessen. Ungewohnte Situationen und Aufgaben können neue Konflikte in der Gruppe hervorrufen, der Kommunikation schaden oder auch zu Kleingruppen innerhalb der Mannschaft führen. Zudem ist es möglich, dass vor allem ältere Spieler bereits einige Massnahmen miterlebt haben und die Motivation sowie die Einsatzbereitschaft nicht mehr vollständig ist. So verzichtet dem Vernehmen nach der Betreuerstab der Deutschen Fussballnationalmannschaft mittlerweile auf solche Massnahmen, weil sie der Auffassung sind, dass die Spieler durch ihre Clubs „abgestumpft“ seien.

 

Quellen:

Carron, A. V., Colman, M. M., Wheeler, J., & Stevens, D. (2002). Cohesion and performance in sport: A meta-analysis. Journal of Sport and Exercise Psychology, 24, 168-188.

Lickel, B., Hamilton, D. L., Wieczorkowska, G., Lewis, A., Sherman, S. J., & Uhles, A. N. (2000). Varieties of groups and the perception of group entitativity. Journal of Personality and Social Psychology, 78, 223-246.

Nijstad, B. A., & van Knippenberg, D. (2007). Gruppenpsychologie. Grundlegende Prinzipien. In K. Jonas, W. Stroebe & M. Hewstone (Eds.), Sozialpsychologie (pp. 409-441). Heidelberg: Springer Medizin Verlag.

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Philippe Müller
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