Dr. René Paasch: Schadenfreude im Fußball

Der FC Bayern München ist der beste und erfolgreichste Fußballverein Deutschlands. Seit dem Aufstieg in die Bundesliga im Jahr 1965 hat sich der FCB zum Maß aller Dinge in der Bundesliga entwickelt. Trotz allem spüren wir in der jetzigen Situation Spott und Häme gegenüber dem Rekordmeister. Ist Schadenfreude die schönste Freude? So sagt es zumindest der Volksmund. Ist dem auch so oder sollten wir das differenzierter betrachten?

Zum Thema: Wie weit darf Schadenfreude gehen?

Der Philosoph Arthur Schopenhauer war der Ansicht, die Schadenfreude sei „der schlechteste Zug in der menschlichen Natur, da sie der Grausamkeit enge verwandt ist.“ Und sie ist in uns. Das zeigt sich unter anderem darin, dass Fernsehsendungen in denen Menschen Missgeschicke passieren, häufig geschaut werden. Die Freude, wenn einer beneideten, ungeliebten, Ärger auslösenden Person oder Gruppierung ein Missgeschick widerfährt, kann sehr intensiv erlebt werden. Die Stärke ist von dem Maß des Leids, der Gerechtigkeit, des Selbstbewusstseins, der wahrgenommenen Bedrohung und der Gruppenzugehörigkeit abhängig. (Van Dijk & Ouwerkerk, 2014).

Es gehört zur Natur des Menschen sich permanent zu vergleichen. Der Vergleich hilft uns, unsere Leistungen zu bewerten und Schwierigkeiten abzubauen. Das hat Vor- und Nachteile. Ist der Vergleich für uns positiv, kann es unser Selbstvertrauen stärken. Im anderen Fall führt es zu einem niedrigeren Selbstwert und möglicherweise zu Neid. Dieser Prozess läuft automatisch ab. Das Empfinden sei nur bei jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt. Neid könne zudem nur bei Dingen empfunden werden, die uns selbst wichtig sind. Wie im Fall von FC Bayern München. Sie sind Fan von Schalke 04, dann werden Sie eher auf die Erfolge vom FCB neidisch sein, als auf den bayerischen Dialekt?

Zwei Arten von Neid

Zudem gibt es zwei unterschiedliche Arten von Neid. Gutartigen und bösartigen Neid. Wir beneiden etwa die Münchener um Ihr Geld und Erfolge, gleichzeitig motiviert sie das aber wiederum als Fan Ihre Mannschaft weiterhin nach vorne zu peitschen. Oder aber wir empfinden den Vorteil des anderen als ungerecht und missbilligen ihn. Diese Art von bösartigem Neid kann Schadenfreude vorherrufen. Wir sind typischerweise auf Profivereine neidisch, die uns ähnlich oder wichtig sind. Ein Fan von 1860 München beneidet eher einen anderen Fan des FC Bayern als einen interessierten Handballzuschauer. Verstärkt wird die Empfindung dadurch, dass die Person/der Verein einen Vorteil erhält, den wir selbst gerne hätten oder den sie aus unserer Sicht nicht verdient hat. Passiert dieser Person/diesem Verein dann ein Missgeschick, sind wir besonders schadenfroh. Das kann dann zum Beispiel der FC Bayern München sein, der auf dem Transfermarkt immer wieder teure Spieler eingekauft, während der eigene Verein mit unbekannten und günstigen Kickern um den Abstiegskampf ringt. Dieser sogenannte Aufwärtsvergleich (Goethals, Darley, 1977) ist frustrierend. Der Vergleich mit Menschen oder Vereinen, die im interessierenden Merkmal überlegen sind; das ist der aufwärts gerichtete Vergleich. Dieser führt zu Unzufriedenheit und fehlender Gerechtigkeit. Verletzten sich die teuren Spieler oder verlieren Punktspiele, dann löst dies Schadenfreude aus. Der FC Bayern München hat seinen Vorteil (zumindest vorübergehend) verloren und das erhöht wiederum den Selbstwert des “eigenen” Clubs. Aus diesem Grund möchte ich Sie einladen, die Sicht auf die aktuelle Fußball-Bundesliga Saison 18/19 der Bayern zu überdenken und stattdessen leistungs- und entwicklungsgerecht zu bewerten.

Zum Beitrag mit Dr. René Paasch von Welt + https://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/fc-bayern-muenchen/plus181810796/Psychologie-Warum-wir-beim-FC-Bayern-so-viel-Schadenfreude-verspueren.html

Historische Erfolge und Wertschätzung

Zum Profil von Dr. René Paasch: https://www.die-sportpsychologen.de/rene-paasch/

Keine deutsche Fußballmannschaft hat mehr Meisterschaften und Trophäen gesammelt als der FC Bayern München. Auf 28 nationale Meisterschaften kommt der Profiverein. Der erste Titel wurde 1932 geholt, die weiteren 27 in der 1963 gegründeten Bundesliga. Aber auch im DFB-Pokal ist der FC Bayern mit 18 Titeln einsame Spitze. Auf nationaler, wie auch auf europäischer, sogar globaler Ebene stiegen die Münchener zu einem der sportlich und wirtschaftlich erfolgreichsten Fußballvereine auf.  Dem Team gehören seit vielen Jahren nationale und internationale Top-Stars an, dank großartiger wirtschaftlicher Situation und Transferpolitik. Unter Trainer Udo Lattek gelang es den Bayern sowohl international im Europapokal der Landesmeister (dem Vorgänger der Champions League) von 1974 bis 1976 Sieger zu werden, wie auch den Weltpokal zu gewinnen. Mit Trainer Ottmar Hitzfeld konnte der FC Bayern in der Champions League wieder ganz oben mitspielen. Nach der unglücklichen Finalniederlage 1999 gegen Manchester United war es am 23. Mai 2001 soweit: Der FC Bayern gewann nach 25 Jahren erneut die Champions League. Insgesamt errang der FC Bayern in diesem Jahrtausend schon viele Deutsche Meisterschaften und DFB-Pokale (einmal den Weltpokal und zweimal die Champions League). In der Saison 2012/2013 gelang es dem FC Bayern nach dem im Vorjahr verlorenen Finale und dem zweiten Platz in der Meisterschaft , endlich wieder die deutsche Meisterschaft und den ersehnten Sieg in der Champions League. Damit erreichte der FC Bayern als erster Deutscher Profiverein und siebter europäischer Verein das “große Triple”. Seitdem dominieren die Bayern die Fußball-Bundesliga. Für diesen großartigen Weg sind u.a. Franz Beckenbauer, Paul Breitner, Uli Hoeneß, Gerd Müller und Karl-Heinz Rummenigge verantwortlich. Diese Historie ist eine unglaubliche Leistung, die es verdient wertschätzend behandelt zu werden.

Der Begriff Wertschätzung im Fußball wird heute beinahe inflationär und viel zu oft falsch verwendet. Umgangssprachlich wird Wertschätzung oft mit Anerkennung von besonderer Leistung gleichgesetzt. Doch das ist falsch. Wertschätzung ist mehr in meinen Augen – es ist eine Herzens- und Verständnishaltung, die immer auch den Verein und den Menschen sieht und nicht nur dessen Ertrag. Es ist eben diese grundlegende Bedeutung von Wertschätzung, die sie für viele Fans so schwierig macht, da sie nur ihren Verein sehen. Der Blick über den Tellerrand könnte dabei helfen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Schadenfreude zwei Gesichter hat. Selbstreflexion und der Blick über den Tellerrand wäre dabei eine hilfreiche Unterstützung. Schlussendlich sind wir begeisterte Fans oder Zuschauer, die gemeinsam ihrer großen Leidenschaft nachgehen. Um es in den Worten von Thomas Müller zur Mini-Krise des FC Bayerns zusagen: “Annehmen und mit Hochdruck arbeiten.“ (08. Oktober 2018, web.de). Fußball sollte verbinden und nicht eine Plattform für Unzufriedenheiten darstellen. Dem Rekordmeister wünsche ich über diesem Wege alles erdenkliche Gute und die notwendige Zeit für Verbesserungen.  

Literatur

R. Goethals, J. M. Darley (1977): Social comparison theory: An attributional approach. In: J. M. Suls, R. L. Miller (Hgs.): Social comparison processes: Theoretical and empirical perspectives. Washington DC:Hemisphere/Halsted, S. 259–278

Van Dijk, W.W. & Ouwerkerk, J.W. (Eds.). (2014): Schadenfreude: Understanding pleasure at the misfortune of others. Cambridge: University Press.

Internet

https://web.de/magazine/sport/fussball/bundesliga/mueller-mini-krise-fc-bayern-annehmen-hochdruck-33200346 

Views: 1373

Print Friendly, PDF & Email
Prof. Dr. René Paasch
Prof. Dr. René Paaschhttp://www.die-sportpsychologen.de/rene-paasch/

Sportarten: Fußball, Segeln, Schwimmen, Handball, Volleyball, Hockey, Eishockey, Tennis

Gelsenkirchen, Deutschland

+49 (0)177 465 84 19

E-Mail-Anfrage an r.paasch@die-sportpsychologen.de