Menschlichkeit? Fürsorge? Empathie? Solche Eigenschaften darf man von narzisstisch veranlagten Trainern nicht erwarten. Sie brauchen im Grunde nur eins: Bestätigung und Selbstwertsteigerung um jeden Preis. Darunter leiden in erster Linie die Nachwuchsspieler.
Zum Thema: Narzissmus im Jugendfußball
Wenn ein Mensch oder in diesem Fall der Trainer sagen kann: Ich weiß, wer ich bin, was ich kann und was ich nicht so gut kann, dann ist das eine gesunde Form von Narzissmus. Der krankhafte Narzisst hingegen besitzt eine innere Unsicherheit bzw. ein ausgeprägtes Minderwertigkeitsgefühl. Die narzisstische spezifische Persönlichkeitsstörung wird im ICD-10 (F 60.8) klassifiziert. Sie weisen folgende Merkmale auf: Größenwahn in Bezug auf die eigene Bedeutung; Beschäftigung mit Fantasien über unbegrenzten Erfolg, über Macht und das Bedürfnis nach übermäßiger Bewunderung. Die Ausnutzung von zwischenmenschlichen Beziehungen, Vorteilsnahme gegenüber anderen, um eigene Ziele zu erreichen und der Mangel an Empathie, Ablehnung, Gefühlen und Bedürfnisse anderer anzuerkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren, sind weitere Auffälligkeiten. Außerdem kennzeichnet sich der Narzissmus durch arrogante und hochmütige Verhaltensweisen (Kernberg & Hartmann 2018). Zusammengefasst sind sie dominant, selbstbezogen und – rücksichtslos.
Mit einem narzisstischen Trainer zusammenzuarbeiten, ist somit eine große Herausforderung. Narzissten verlangen viel von ihren Spielern: Leistung und Bestätigung. Menschlichkeit oder Solidarität sind weniger gewünscht. Solche Trainer trifft man immer häufiger im Jugendfußball. Sie erleben ein grandioses Gefühl der eigenen Bedeutung, verbunden mit Fantasien von grenzenlosem Erfolg und dem Bedürfnis nach Macht und Anerkennung. Die Gefahr: Statt eine konstante Entwicklung der Spieler zu fördern, die auf der Vermittlung von Wissen und prägenden Erlebnissen basiert, stehen kurzzeitige Ergebnisse im Vordergrund. Darunter leiden die Spieler sowie deren Umfeld.
Woher kommt Narzissmus?
Besonders anfällig sind z.B. Kinder und Jugendliche der Mittelschicht mit ehrgeizigen Eltern oder fehlender Mutterliebe. Sie fesseln ihre Sprösslinge in der Erwartung, außergewöhnlich und besonders zu sein. So ist Narzissmus vor allem eine Reflexion elterlicher und sozialer Prägungen. Wurde dem Kind das Gefühl von Liebe, Fürsorge und Akzeptanz vermittelt? Wenn nicht, entsteht eine emotionale Kränkung. Dieses sehr schmerzliche Gefühl kann später ausgeglichen werden oder es wird zumindest versucht – beispielsweise durch Erfolge im Fußball.
Ebenfalls schädlich für das Heranwachsen, ist die genaue Lebensplanung des Kindes in der elterlichen Vorstellung. Dies ist für das Kind oft eine große Belastung, weil es sich nicht verstanden oder angenommen fühlt. So wird es sich immer mehr anstrengen, um den Eltern zu genügen und wächst zu einem tief verunsicherten Menschen, der sein schwaches Selbstbild zu kompensieren sucht heran.
Kein Wir-Gefühl – keine Verbundenheit
Narzisstische Trainer sind sehr schwierig. Solange der Kicker den eigenen Zielen des Narzissten dient, ist er in der Mannschaft willkommen. Wird er unnütz oder wehrt er sich gegen Ungerechtigkeit, wird er fallen gelassen. Wir-Gefühl, wahre Verbundenheit und tiefes Vertrauen – Fehlanzeige. Sie gehen eher auf Distanz, möchten von ihren Schützlingen bewundert werden und sind dabei besitzergreifend. Selbstwertsteigerung ist und bleibt ihr oberstes Ziel. Beziehungen mit Narzissten sind eher unglücklich und unbeständig.
Nur selten suchen Narzissten die Hilfe der Sportpsychologie, sie haben ja kein offensichtliches Problem. Sie nutzen die Beratung, weil Verantwortliche das wünschen. Indessen ist die Unterstützung oft begrenzt.
Weitere Auffälligkeiten von narzisstischen Trainern im Fußballalltag:
- Er hält endlose Reden vor den Eltern und Nachwuchskickern, nur um im Mittelpunkt zu stehen. Er macht oft Sündenböcke bei Niederlagen ausfindig, die z.B. nicht mitziehen wollen, die ihm nicht nach dem Mund reden oder angeblich die Leistungsfähigkeit der Mannschaft behindern.
- Er setzt den Maßstab und die Richtung für die Mannschaft. Er glaubt, allein zu wissen, was für das Team gut ist. Interessen der Nachwuchskicker und der Eltern finden keine Berücksichtigung.
- Der Narzisst hasst Unpünktlichkeit und kritisiert Eltern oder Fahrer, wenn sie zu spät zum Training erscheinen.
- Er verweist sehr gern auf die Regeln, um die Kicker und Eltern zu disziplinieren. Er selbst genehmigt sich aber gerne scheinbar notwendige Ausnahmen.
- Der Narzisst setzt aus Neid den Verdienst oder die Leistungen anderer herab.
- Eltern, die ihn nicht akzeptieren und seine Ideen und Vorschläge nicht annehmen, werden von ihm bekämpft. Kicker, die sich gegen ihn wenden, werden von ihm ausgegrenzt, missachtet, beleidigt, benachteiligt oder mit unseriösen Methoden aus der Mannschaft gedrängt.
- Der Narzisst reagiert unverhältnismäßig auf jede Form von Kritik und greift zu Strafen oder Diskriminierung, die aber meist im Verborgenen hinter den Kulissen ablaufen. Er will sich nicht öffentlich als Bösewicht zeigen.
- Folgt man seinen Ideen und Vorstellungen nicht, dann kann er tagelang beleidigt vor sich hin schmollen und Entscheidungen blockieren.
Fazit:
Der Umgang mit Narzissten ist sehr anspruchsvoll. Eine wichtige Aufgabe der Sportpsychologie und der Eltern kann darin bestehen, Betroffene (vgl. Straub, 2017) vor der zerstörerischen Kraft von Narzissten zu schützen. Hier kann Früherkennung und Kompetenztraining dienlich sein. Seien Sie aufmerksam, denn narzisstische Trainer sind sehr interessiert und können außerordentlich nett sein. Sie werben um ihre Schützlinge, um sie für sich einzunehmen. Allerdings strauchelt der Narzisst dabei, die Beziehung zu pflegen. Teams, die idealerweise auch dazu dienen, Schwächen des anderen zu tragen und zu würdigen, sind dem Narzissten deshalb ein Gräuel. Sie haben zu anderen Menschen oft eine zweckmäßige Beziehung. Sie sehen sie unter dem Gesichtspunkt: „Wie dienen sie mir?“ Oder: „Wie funktionieren sie, damit ich meine Erfolge als Trainer bringen kann?“. Diese Menschen können sehr rücksichtslos sein.
Das faszinierende an diesem Phänomen für mich als Sportpsychologe ist, wie ein mittelmäßiger Mensch sich als etwas Besonderes fühlen kann und wie selbst hochintelligente Menschen in diese Falle tappen können. Dennoch ist Narzissmus leider ein Ausdruck unserer Zeit. Narzissmus findet man allerdings nicht nur bei Trainern, sondern (durch die heutigen digitalen Möglichkeiten, wie Facebook, Twitter & Co) auch in allen gesellschaftlichen Gruppen wieder.
https://www.die-sportpsychologen.de/2017/09/23/dr-hanspeter-gubelmann-das-wars-monsieur-constantin/
Literatur
Straub, G. (2017): Avoid being coach. Spekulationen über elterlichen Narzissmus im Nachwuchsleistungssport. Leistungssport 4/17, S.24-29.
Kernberg, O. F., H. P. Hartmann (2018): Narzissmus: Grundlagen – Störungsbilder – Therapie Taschenbuch – 2. Januar 2018
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