Sebastian Reinold: Haben auch Trainer Gefühle?

In der einschlägigen sportpsychologischen Literatur ist immer nur die Rede davon, wie sich der Athlet vor, während und nach seinem Wettkampf fühlt. Im Optimalfall sieht er selbstbewusst dem Wettkampf entgegen. Gut beschrieben sind vor allem die Fälle von Sorgen, Nervosität bis hin zu Angstzuständen. Im Zentrum der Betrachtung stehen aber fast ausschließlich Athleten. Die Trainerperspektive wird dabei zu sehr vernachlässigt.

Zum Thema: Was geht in einem Trainer rundum den Wettkampf vor?

“Der Glaube und die Hoffnung bei mir ist enorm groß.” So lautete eine Aussage von Roger Prinzen, Trainer des 1. FC Nürnberg, vor dem letzten Bundesligaspieltag im Mai 2014, bei dem der Club auf Schalke treffen sollte. Für Nürnberg ging es um den Verbleib in der 1. Bundesliga während die Schalker versuchen mussten, den direkten Einzug in die Champions League zu sichern.

Der Trainer als steinhartes Wesen, der alles positiv sieht und vor Selbstvertrauen strotzt – dieses Bild wird gern in den Massenmedien verbreitet. Aber was ging wirklich in ihm vor? Abseits des Medienzirkus? Wie fühlt sich wohl ein Fußballbundesliga-Trainer, wenn er weiß, dass er morgen nicht mehr auf höchstem Niveau arbeiten wird, sollte  sein Team verlieren? Motiviert ihn dieser Druck oder lässt dieser ihn resignieren? Haben Trainer auch  quälende Gedanken, die sie nicht schlafen lassen wie: „Habe ich alles getan, was ich konnte?“, „Habe ich meinem Sportler alles vermittelt, was er braucht?“ oder „Hat mein Team wirklich eine Chance, zu gewinnen“? Wie fühlt sich eigentlich ein Trainer, wenn sein Athlet verloren hat? Ob der rFußballtrainer wohl nachts im Bett weint, wenn seine Mannschaft abgestiegen ist?

Leider lassen sich zu diesen Fragen keine wissenschaftlichen Publikationen finden. Die Frage, was in einem Trainer rundum den Wettkampfs vorgeht, kann an dieser Stell noch nicht beantwortet werden, obwohl es zweifelsohne sehr interessant wäre zu wissen.  Vielleicht fühlt sich der ein oder andere Leser nun berufen, dieser Frage nachzugehen.

Ursachen geben den Gefühlen Haltung

Abseits von der Frage, was in Trainern vorgeht, lässt sich sportpsychologisch ähnlich wie bei einer Athletenberatung arbeiten. Eine geeignete Ursachenzuschreibung beispielsweise lässt den Trainer verstehen, dass die Leistungsentwicklung seines Athleten nicht nur von ihm als Trainer und seinen Kompetenzen abhängt. Bei der Ursachenzuschreibung geht es darum, das Geschehene rational zu erklären.

Die  Ursachen lassen sich auf eine zeitliche und eine örtliche Komponente, mit jeweils zwei Ebenen zurückführen, die in Kombination vier Erklärungsmöglichkeiten bieten.  Die zeitliche Komponente ist entweder stabil oder instabil. Mit der zeitlichen Komponente wird  erklärt, ob eine Handlung immer zum gleichen Ergebnis führt oder ob sich das Resultat auf die gleiche Aktion mit der Zeit verändert. Die örtliche Komponente bezieht sich entweder auf die Person oder deren Umgebung. Hiermit können Gründe entweder in der Kompetenz der Person gesucht werden oder auf wechselnde Ursachen wie zum Beispiel das Wetter geschoben werden (vgl. Stoll, Pfeffer & Alfermann, 2010). Von so einer Ursachenzuschreibung wird die Leistung zwar nicht zwangsweise besser doch dem Menschen geht es gut. Und um diesen Aspekt geht in der Sportpsychologie im Wesentlichen.

 

Literatur:

Stoll, O., Pfeffer, I. & Alfermann, D. (2010). Lehrbuch Sportpsychologie. Bern: Hans Huber Verlag.

 

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de

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