Dr. René Paasch: Prävention statt Burnout im Leistungsfußball

Im Profifußball bleibt durch Leistungsdruck und zu wenigen Entspannungsphasen häufig die Psyche auf der Strecke. Augenfällig wird das Thema immer dann, wenn Spitzensportler mit einer solchen Erkrankung an die Öffentlichkeit treten. In aller Regel finden diese Fälle aber außerhalb der medialen Betrachtung statt. Nicht selten fehlt auch auf Ebene der Trainerstäbe in den Vereinen das nötige Wissen. Der Text liefert für Betroffene und Personen aus deren Umfeld einige Anhaltspunkte.

Zum Thema: Prävention statt Burnout

Burnout beschreibt den Zustand des körperlichen und emotionalen Ausgebrannt seins, der von Depersonalisierung und Leistungseinbuße gekennzeichnet ist. Im Jahre 2013 veröffentlichte das Bundesinstitut für Sportwissenschaft nach der Befragung von 1154 Athleten die Studie „Dysfunktionen des Spitzensports“, in der beschrieben wird, dass sich die Hälfte der Leistungssportler regelmäßig ausgebrannt und kraftlos fühlen. Jeder dritte Spitzensportler leidet demnach unter Schlafstörungen, jeder fünfte klagt außerdem über Depressionen.

Hohe Ansprüche an die eigene Leistungsfähigkeit kennzeichnen gefährdete Sportler ebenso wie Rahmenbedingungen in denen Überbeanspruchung, Mängel an Kontrolle und Autonomie oder schlechtes Klima vorherrschen. Wenn Anforderungen und persönliche Ressourcen nicht mehr übereinstimmen kommt es zu einer Stressreaktion mit Anspannung, Ermüdung, und Reizbarkeit. Misslingt die Bewältigung dieser primären Stressreaktion kann Burnout mit emotionaler Distanz, steigendem Zynismus und Problemen im Leistungsbereich folgen. Prävention bedeutet, sich mit dem Phänomen auseinanderzusetzen, eventuelle eigene Gefährdungen zu erkennen und möglichst frühzeitig Gegenmaßnahmen zu initiieren. Das nun folgende Phasenmodell von Freudenberger und North (2000) ist mit Einschränkung lediglich ein theoretisches Modell des Burnout-Verlaufes und muss nicht notwendigerweise in genau dieser Reihenfolge auftreten. Sie beschreiben aber häufige Schritte bis hin zum Burnout-Syndrom und regen so betroffene Sportler zur Selbstreflexion an.

Der Burnout Prozess von Freudenberger und North (2000)  

Stadium 1: Der Zwang sich zu beweisen – Es stehen sich die Anpassung (an das System, die Erfordernisse, an die Gegebenheiten etc.) und die eigenen Wünsche gegenüber.

Stadium 2: Verstärkter Einsatz – Das Gefühl aus Phase 1 baut sich weiter auf, häufig verknüpft mit dem Gefühl, alles selbst und insbesondere dringlich machen zu müssen. Aufgaben werden besonders rasch erledigt. Etwas zu delegieren fällt schwer. Zur Umsetzung üblicherweise zu hoch gesteckter Ziele.

Stadium 3: Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse – Es gibt nur noch Zeit für den Fußball. Freunde und Beziehungen werden vernachlässigt, es kommt zunehmend zur Isolierung, zu Schlafdefiziten,  etc. Die Freizeit als freie Zeit verliert ihren Sinn und kann von Erfolgsdruck überwuchert werden.

Stadium 4: Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen – Da ein Konflikt unter Umständen eine Bedrohung oder Krise darstellt, die eine Auseinandersetzung fordern würde, wird er verleugnet oder verschoben. Konfliktfähigkeit und somit auch Wachstum gehen somit verloren.

Stadium 5: Umdeutung von Werten – Zunehmende Konflikte mit Teamkollegen/innen werden ebenso wenig wahrgenommen wie Schlafmangel und erste körperliche Symptome. Außerdem mehren sich Fehlleistungen wie vergessene Termine, Unpünktlichkeit, sonstige Fehler etc.

Stadium 6: Verleugnung der Probleme – Betroffene begegnen ihrer Umwelt zunehmend verbittert und mit Härte, in weiterer Folge beginnen sie sich abzukapseln. Ungeduld, Intoleranz, latente und/oder overte Aggressivität prägen den Umgangston. Die Leistungseinbußen sind deutlich merkbar, ebenso körperliche Beschwerden.

Stadium 7: Rückzug – Partner, Familie und Freunde werden jetzt als Belastung, oft sogar als feindlich erlebt. Kritik wird nicht mehr ertragen; die Betroffenen beschreiben sich als orientierungslos und ihren Zustand als hoffnungslos. Um sich eine Freude zu machen, stürzt man sich in Ersatzbefriedigungen. Mit zunehmender Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit, Desillusionierung, Entfremdung sinkt die Kritikfähigkeit.  

Stadium 8: Beobachtbare Verhaltensänderungen – Den Betroffenen wird zunehmend alles egal, sie werden apathisch und häufig zeigen sich jetzt auch ungewöhnliche Verhaltensweisen; alles wird als Angriff erlebt. Jede zusätzliche Leistungsanforderung empfindet man als Belastung; die Betroffenen greifen auf Ausflüchte zurück.

Stadium 9: Depersonalisation – Meint den Verlust des Gefühls für die eigene Persönlichkeit wie auch für andere Menschen. Hauptsächlich negative Einstellungen beherrschen das Feld. Die Fähigkeit zur Nähe ist verloren gegangen. Die Zeitperspektive wird auf die Gegenwart eingeengt. Das Leben wird immer mehr zu mechanischem Funktionieren herabgemindert. Das Lebensgefühl ist jenes von Entwurzelung und Sinnlosigkeit. Sie vernachlässigen ihre eigene Gesundheit.

Stadium 10: Innere Leere – Betroffene sind bereits völlig mutlos, leer, nutzlos, ausgezehrt, ängstlich bis panisch. Phobien und Panikattacken sind möglich.

Stadium 11: Depression – Das Stadium der Depression ist von tiefer Verzweiflung, Selbsthass, Erschöpfung, dem Wunsch nicht mehr aufwachen zu müssen und Suizidgedanken geprägt.

Stadium 12: Völlige Erschöpfung – In dieser Phase kommt es zum körperlichen (Krankheit), psychischen und emotionalen Zusammenbruch; es handelt sich nun um einen absoluten Notfall.

Elvina Abullaeva: Depression erkennen lernen

Strategien für Präventionsmaßnahmen

  • Eigene Ziele und Wünsche genau hinterfragen: Warum will ich das, will ich das oder wird mir dieses Ziel von außen nahegelegt, habe ich die nötigen Ressourcen, bin ich überfordert, was ist mir wichtig in meinem Leben?
  • Sich Zeit nehmen für sich und andere – eigene Bedürfnisse (Ernährung, Genuss, Freude, Sozialkontakte, Erfolge zu feiern etc.) ernst nehmen, ohne dabei völlig egoistisch vorzugehen. Ein ausgewogenes soziales Netz stellt einen wichtigen Ausgleichsfaktor im Leistungssport dar.
  • Ausgewogene bewältigbare Arbeitsmenge, also die Limitierung des Aufgabengebietes, um Überforderung zu verhindern.
  • Autonomie und Kontrolle fördern; dafür sorgen, auf Entscheidungen Einfluss nehmen zu können; Überblick über die Ziele der Mannschaft gewinnen; wissen, wofür man zuständig ist (Aufgaben- und Rollenverteilung).  
  • Supervision, regelmäßige Gespräche, Fort- und Weiterbildung, Psychotherapie …
  • Der Praxisordner zur psychischen Gesundheit im wettkampforientierten Leistungssport bietet wertvolle Einblicke in die Strategien der Sportpsychologie und unterstützt Trainer und Sportler wertschätzend und gesundheitsförderlich zu behandeln. Jetzt kostenfrei über die Website der Initiative Neue Qualität der Arbeit Downloaden: http://www.vbg.de/SharedDocs/Medien-Center/DE/Broschuere/Branchen/Sport/Kein_Stress_mit_dem_Stress.pdf;jsessionid=5D0E10AB08BB649E24CA74C7D29F647F.live2?__blob=publicationFile&v=5. Zugriff am 20.04.2018)
  • Die Robert-Enke-Stiftung hat in Zusammenarbeit mit der Uniklinik RWTH Aachen eine Beratungshotline ins Leben gerufen. Diese Hotline bietet sowohl für Leistungssportler, als auch für Personen, die nicht aus dem Sport kommen, Informationen über Depressionen/Burnout und deren Behandlungsmöglichkeiten an und wird wissenschaftlich begleitet. Näheres dazu: https://robert-enke-stiftung.de/depression-hilfe/beratungsangebot (Zugriff am 20.04.2018)

Fazit

Die Erkenntnis, dass es sich bei Burnout um keine persönliche Schwäche handelt, sondern um eine Folge extremer Faktoren ist sehr wichtig. Der nötige erste Schritt ist das sich eingestehen, dass ein Problem vorliegt. Befindet sich der Betroffene im Frühstadium, können selbst definierte Veränderungsschritte (Gespräche, Problemlösungen, Ausgleich, etc.) ausreichen. Je weiter fortgeschritten und je länger die Problematik andauert, desto schwieriger wird die Bewältigung ohne professionelle Hilfe.

 

Lasst uns darüber reden

Bei unserem Event “Die rote Couch – Das Sportpsychologie-Barcamp” machen wir auch vor schweren Themen nicht halt, ganz im Gegenteil. Kommen Sie am 2./3. Juni in Bochum bitte vorbei:

Die rote Couch – Das Sportpsychologie Barcamp (Thema Fußball) – 02/03.06.2018 in Bochum

 

Literatur

Freudenberger, H. North, G. (2000): Burnout bei Frauen. Über das Gefühl des Ausgebranntseins. Frankfurt: Fischer.

Internet:

https://www.bisp.de/SharedDocs/Downloads/Publikationen/sonstige_Publikationen_Ratgeber/Breuer_Dysfunktionen.pdf?__blob=publicationFile&v=1. Zugriff am 20.04.2018

http://www.vbg.de/DE/3_Praevention_und_Arbeitshilfen/1_Branchen/11_Sport/7_psychische_Gesundheit/psychische_Gesundheit_node.html. Zugriff am 19.04.2018

 

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Sport und Depression

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Prof. Dr. René Paasch
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1 Kommentar

  1. Wertvoller Beitrag mit sehr nützlichen Links!

    Interessant wäre noch eine Verteilung der Burnoutraten im Sport. Vor allem auch, wer am ehesten davon betroffen ist und welche besonderen Risikofaktoren im Sport speziell vorliegen.

    Mit den Dokumenten bzw. Links lässt sich jedoch gut weiterarbeiten.

    lg Mario aus Wien

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