Start Blog Seite 153

Elvina Abullaeva: Depression erkennen lernen

Was ist schlimmer für einen Profisportler, Kreuzbandriss oder Depression? Bei einem Kreuzbandriss dauert die Reha in der Regel sechs bis acht Monate, bis der Sportler wieder einsatzbereit ist. Aufgemerkt: Die Behandlungsdauer bei Depressionen ist im Regelfall ein klein wenig kürzer. Durchschnittlich vergehen sechs Monate, bis der Mensch sein Leben wieder führen kann. Doch die psychische Erkrankung Depression bleibt im Sport ein Tabu. Dies führt manchmal zu tragischen Folgen, weil den betroffenen Leistungssportlern einfach nicht geholfen wird.

Zum Thema: Was sollten Trainer über Depression wissen?

Trotz einiger prominenter und gleichsam tragischer Fälle von depressiv erkrankten Sportlern (Robert Enke, Andreas Biermann) zieht dieses Problem im Sport noch nicht genug Aufmerksamkeit auf sich. Sportler, Trainer sowie Sportfunktionäre haben Angst vor der Depression – es wird nicht offen darüber gesprochen beziehungsweise nur unzureichendes Wissen zur Verfügung gestellt. Noch sind wir weit davon entfernt, trotz guter Maßnahmen wie die Robert-Enke-Stiftung, dass das Leistungssportsystem für diese Problematik wirklich sensibilisiert ist. Aber je mehr darüber gesprochen würde, je mehr Wissen die Trainer und Sportler selbst über die Depression haben, desto größer wäre die Akzeptanz gegenüber dieser Erkrankung und desto schneller könnte betroffenen Sportlern und Trainern geholfen werden. Lasst uns versuchen zu verstehen, was eine Depression ist und welche Konsequenzen eine Depression für einen Sportler hat.

Was ist  eine Depression?

Die Depression ist eine der häufigsten psychischen Krankheiten, die so alt wie die Menschheit selbst ist. Psychische Niedergeschlagenheit – so könnte man kurz das ganze Empfinden des Menschen bei dieser Erkrankung beschreiben. Laut Robert-Koch-Institut leiden rund vier Millionen Deutsche aktuell an einer Depression, die einer Behandlungsbegleitung bedarf. Nicht unwichtig: Im Leistungssport treten Depressionen statistisch nicht häufiger auf als in der Normalbevölkerung. Depressiv erkrankte Menschen weisen solche Hauptsymptome wie depressive Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit, Antriebsmangel und erhöhte Ermüdbarkeit auf. Dazu kommen Zusatzsymptome wie verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, geringes Selbstwertgefühl, Schuldgefühle, pessimistische Zukunftsperspektiven, Suizidgedanken, Schlafstörungen, verminderter Appetit und deutlicher Libidoverlust. Je nach Schweregrad spricht man von einer leichten, mittleren oder schweren Depression, wenn mindestens zwei Haupt- und zwei Zusatzsymptome länger als zwei Wochen dauern. 

Warum werden manche Menschen depressiv?

Die Entstehung einer Depression lässt sich anhand des Vulnerabilitäts-Stress-Modells oder Verletzlichkeits-Stress-Modells gut erklären (Zubin & Spring 1977). Demnach hat jeder Mensch seine individuelle Verletzlichkeitsgrenze, die oft als ein großes oder geringes Fassungsvermögen beschrieben wird. Dieses Fass wird ständig mit Wasser befüllt. Das Wasser ist nichts Anderes als beruflicher (Misserfolgsserien, Konflikte mit dem Trainer und dem Team, Übertraining, Verletzungen und Wiederverletzungen, finanzielle Probleme) und privater Stress (Probleme mit Bezugspersonen, zusätzliche Belastungen durch Ausbildung etc.). Das Wasser (Stress) kommt herein und heraus. Der Mensch schöpft den Stress aus dem Fass ab, indem er regelmäßig einen Ausgleich schafft, beispielweise Lieblingshobbies, angenehme Aktivitäten und ein aktives soziales Leben. Dies sind sogenannte Stressbewältigungsstrategien. Es kann aber passieren, dass eine Person zu einem Zeitpunkt oder auch dauerhaft viele berufliche und private negative Erlebnisse hat und damit nicht zurechtkommt. Der Stress kommt herein, aber geht nicht heraus. Das Fassungsvermögen oder mit anderen Worten die individuelle kritische Verletzlichkeitsgrenze wird überschritten. So entsteht eine psychische Erkrankung, in unserem Fall, Depression.

Wie kann ein Trainer eine Depression erkennen?

Eine der Aufgaben der Sportpsychologen ist es, durch unterschiedliche präventive Maßnahmen sowie Einzelarbeit das allgemeine psychische Wohlbefinden der Sportler beziehungsweise der Trainer zu fördern. Dies kann unter anderem depressiven Erkrankungen vorbeugen sowie helfen, diese frühzeitig festzustellen. Dafür soll aber der Sportpsychologe ein fester Teil des Teams sein und ständig mit dem Sportler und dem Trainer Kontakt haben, was leider nicht immer der Fall ist. Hinsichtlich der Behandlung einer Depression darf ein Sportpsychologe dies nur in dem Fall anbieten, wenn er eine anerkannte Psychotherapieausbildung gemacht hat. (siehe Blog-Beitrag: Katharina Petereit: Zum Tod von Andreas Biermann)

Auch wenn keine sportpsychologische Betreuung in Ihrem Verband oder Verein stattfindet, können Sie als Trainer dennoch eine Menge dazu beitragen, um eine Depression oder einen möglichen Zusammenbruch bei einem ihrer Sportler zu erkennen. Durch einen engen regelmäßigen Kontakt im Training sollte Ihnen auffallen, wenn derjenige dauerhaft eine bedrückte, unmotivierte Stimmung aufweist, sich nicht richtig über seine Erfolge freuen kann, körperlich sehr schnell müde wird, beim Training unkonzentriert und uninteressiert ist. Das wäre für Sie ein Warnzeichen und triftiger Grund, denjenigen anzusprechen. Es muss nicht sein, dass der Sportler eine Depression hat. Durch Nachfragen besteht aber die Möglichkeit, den wirklichen Grund für diesen Allgemeinzustand herauszufinden. Zeigen Sie Ihr Verständnis und Ihre Besorgnis, damit der Sportler keine Angst hat, sich zu öffnen. Um Ihren Zweifel zu vertreiben, können Sie Ihren Schützling bitten, fünf Fragen zu beantworten. Der kurze Fünf-Fragen-Test (WHO-5 Well-Being-Questionnaire von Bech, 1998) (http://www.drhartkamp.de/ablauf/downloads.html) fragt das Wohlbefinden in den letzten zwei Wochen ab und kann einen besseren Eindruck geben, ob es  überhaupt in die Richtung einer Depression geht. Der Test kann zwar falsche positive Ergebnisse zeigen, hat aber eine sehr hohe Erkennungsrate bei der Depression (> 90 %). Bei einem Wert unter 13 ist es zu empfehlen, den Kontakt mit dem Hausarzt aufzunehmen.

Die Fachleute sollen entscheiden, ob es in der Tat eine depressive Erkrankung ist. Ihre Aufgabe ist es, nicht im Hintergrund zu bleiben und den Sportler nicht auszugrenzen. Das ist der erste Schritt zur gelungenen Behandlung. Denken Sie daran, dass die Depression genauso gut heilbar ist wie körperliche Verletzungen (vgl. Müller, Laux & Deister, 2005). Gerade im Sport gibt es mehrere Beispiele einer erfolgreichen Rückkehr in den Beruf, wie es bei dem Fußballprofi Markus Miller oder dem Fußballtrainer Ralf Rangnick war.

(Erstveröffentlichung: 01.08.2014)

 

Links:

1.„Der Praxisordner zur psychischen Gesundheit im wettkampforientierten Leistungssport“ bietet  den Trainerinnen und Trainern gute Informationen sowie eine konkrete Strategie, wie sie die von Depressionen betroffenen Sportlern unterstützen können:

http://psyga.info/ueber-psyga/materialien/praxisordner-fuer-den-wettkampforientierten-leistungssport/

2. Mehr zum Thema Depression, wichtige Fakten sowie zahlreiche Informationen für Betroffene finden Sie auf dem Portal:

www.deutsche-depressionshilfe.de.

 

Quellen:

Müller, H.-J., Laux, G. & Deister, A. (2005). Psychiatrie und Psychotherapie (Duale Reihe,3. Aufl.). Stuttgart: Thieme Verlag.

Zubin, J. and Spring, B. (1977) Vulnerability: A New View on Schizophrenia Journal of Abnormal Psychology 86, 103-126

 

Views: 3375

Philippe Müller: Verletzungen bewältigen

Zerrungen, Muskelfaserrisse, Bänderrisse, Prellungen sowie Schürf- und Platzwunden sind die häufigsten Sportverletzungen. Egal, ob Profi oder Amateur, ein “Sportunfall” wirft immer ein gehöriges Stück aus der Bahn. Während die Schmerzen oft nach kurzer Zeit besiegt sind, haben nicht wenige Athleten auf psychologischer Ebene mit Sportverletzungen recht lang zu kämpfen. Vieles bleibt dabei an den Sportlern selbst hängen.

Zum Thema: Welchen Einfluss haben Verletzungen auf die Psyche?

Statistisch betrachtet ist die Verletzungswahrscheinlichkeit im Sport hoch. Rund 400.000 Sporttreibende verletzen sich jährlich in der Schweiz (www.bfu.ch, 2014). Hardy und Crace (1990) berichten, dass sich mindestens die Hälfte aller Breitensportler im Verlaufe einer Sportsaison verletzen. Auch im Spitzensport sind Verletzungen keine Seltenheit. Die Verletzungshäufigkeit von Spitzensportlern variiert zwischen einem und vier Vorfällen pro Saison (Kleinert & Hermann, 2007). Im Frauen-Kunstturnen liegt die Verletzungsrate bei 70 – 80% pro Jahr (Kerr & Minden, 1988).

Die psychischen Konsequenzen einer Verletzung

Oft stehen die physischen Schäden im Zentrum einer Verletzung. Knochen müssen zusammengeschraubt, Knorpel entfernt und Wunden genäht werden. Doch was geschieht nach der akuten ärztlichen Versorgung? Was passiert auf der psychischen Ebene?

Eine Verletzung stellt für den Athleten eine schwierige Situation dar, mit der er sich auseinander setzen muss. Viele Probleme werden an den Verletzten herangetragen. Zum Beispiel steht der Sportler von der einen zur anderen Sekunde vor einer ungewissen Zukunft. Der Athlet wird mit Fragen konfrontiert, die er sich bis dahin noch nie gestellt hat: Kann der Sport weiterhin ausgeführt oder muss die Karriere beendet werden? Was kommt danach? Zudem sind für viele Spitzensportler die Wettkampfprämien und Sponsorenverträge die Haupteinnahmequelle. Eine Verletzung bedroht somit auch ihre finanzielle Absicherung. Angst vor dem Unbekannten ist die Folge.

Um erfolgreich zu sein, ist ein gutes Selbstvertrauen notwendig. Positives Denken und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sind somit existenzielle Komponenten. Der Athlet identifiziert sich zudem über den Sport. Eine Verletzung ist deshalb nicht selten ein Angriff auf das Selbstbild. Fehler müssen eingestanden werden und auf einmal ist nicht mehr alles kontrollierbar. Ein Gefühl der Wut, Hilflosigkeit und des Identitätsverlusts macht sich bemerkbar.

Auch das gewohnte Umfeld und die soziale Unterstützung fallen weg. Der Trainer als Bezugsperson kann meist nicht in der Nähe sein, da er noch weitere Athleten zu betreuen hat. Die Teamkollegen reisen von Wettkampf zu Wettkampf und haben auch keine Zeit, den Verletzten zu unterstützen. Der Sportler ist auf sich allein gestellt – im Idealfall erhält er Unterstützung von der Familie.

Einsatz der Sportpsychologie

Die Sportpsychologie kann sowohl in der Verletzungsprävention als auch in der Rehabilitation zum Einsatz kommen. Während sie bei Ersterer in Form von psychologischem Fertigkeits- und Fähigkeitstraining Anwendung findet, wird sie in Letzterer (zu) selten eingesetzt. Von vielen Verbänden wird eine gute Medizinische Versorgung angeboten, um die (physische) Genesung zu optimieren. Auf der psychologischen Ebene stehen den Athleten jedoch selten Möglichkeiten zur Verfügung. Im Sinne einer ganzheitlichen Rehabilitation und der Unterstützung der Athleten in der schwierigen Situation wären vermehrte sportpsychologische Angebote wünschenswert.

Zu den Schwerpunkten einer sportpsychologischen Begleitung nach Verletzungen gehören unter anderem die Situationskontrolle (Zurückerlangen der Kontrolle) in der Akutphase, der Aufbau der Selbstwirksamkeit in der Rehabilitationsphase, die effiziente Bewältigung der Sportverletzung in der sportlichen Rehabilitation sowie die optimale Vorbereitung auf den Wettkampfalltag in der Wettkampfvorbereitungsphase.

(Erstveröffentlichung: 09.10.2014)

 

Literaturverzeichnis:

Hardy, C.J., & Crace, R.K. (1990). Dealing with injury. Sport Psychology Training Bulletin, 1, 1-8.

Kerr, G., & Minden, H. (1988). Psychological factors related to the occurrence of athletic injuries. Journal of Sport Exercise Psychology, 10, 167-173.

Kleinert, J. & Hermann, H.-D. (2007). Umgang mit Verletzungen aus sportpsychologischer Sicht. Leistungssport, 2, 43-49.

Views: 14232

Wie ist der HSV noch zu retten?

Feuerwehreinsätze in der Sportpsychologie sind eigentlich großer Quatsch. Effektiver und sinnvoller ist, ohne Frage, die kontinuierliche Arbeit eines Sportpsychologen im Funktionsteam einer Profi-Mannschaft. Aber so weit sind die meisten Fußball-Bundesligisten noch nicht und allen voran der Hamburger SV kann vor dem entscheidenden Relegationsspiel gegen den Karlsruher SC (Montag, 1. Juni, 19 Uhr) nicht mehr darauf warten. Vier Profilinhaber von die-sportpsychologen.de haben sich nun ungefragt Gedanken um den HSV gemacht. Die Resultate sind durchaus unterschiedlich.

Nehmen wir zum Beispiel den Ansatz von Elvina Abdullaeva: Sie empfiehlt Trainer Bruno Labbadia seine Spieler vor Spielbeginn SMS versenden zu lassen. Was in den Kurznachrichten enthalten sein sollte, steht hier. Ein Konzept übrigens, welches Meistertrainer Pep Guardiola bereits erfolgreich einsetzte und kurzfristig eine zauberhafte Wirkung entfalten kann.

Oder nehmen wir den Vorschlag von Prof. Dr. Oliver Stoll: Er empfiehlt, sich an den Schwächen des Gegners abzuarbeiten. In Ergänzung mit der Fokussierung auf die eigenen Stärke sollte damit eine Atmosphäre entstehen, in welcher der Bedrohungscharakter der Situation in den Hintergrund gerät. Wie das genau vonstatten gehen soll, verrät sein Beitrag.

Thorsten Loch liefert durch seine Herangehensweise HSV-Trainer Labbadia gleich den roten Faden für die Mannschaftsbesprechung. Benötigt wird ein großes weißes Blatt und ein paar Stifte. Und ein paar kreative Momente der HSV-Spieler – wie sich diese heraufbeschwören lassen, steht hier.

Philippe Müller wählt fast schon einen radikalen Ansatz. In seinem Beitrag dreht sich viel um das nichts tun. Schließlich sei es mit der Aufnahmefähigkeit der HSV-Spieler an solch einem Relegationsspieltag nicht ganz so gut bestellt.

Kurzum: Der Hamburger SV hat es noch in der Hand, den Verbleib in der Bundesliga zu sichern. Allerdings müssen die Spieler an ihre Leistungsgrenze kommen, ansonsten feiert der Karlsruher SC am Abend eine rauschende Aufstiegsfeier. Die Sportpsychologie ist in diesem Zusammenhang ein Puzzleteil, welches viele Bundesligisten allerdings noch vollends außer Acht lassen. Daran soll dieser Schwerpunkt erinnern und gleichzeitig ambitionierten Trainern aus dem Fußball und anderen Spielsportarten das Gefühl mit auf den Weg geben, dass die kontinuierliche Zusammenarbeit mit Sportpsychologen bei der täglichen Arbeit für den Erfolg helfen kann.

Views: 344

Elvina Abdullaeva: Das Versprechen an den liebsten Menschen

Oft wird es von Sportpsychologen erwartet, dass sie in der Lage sind, kurz vor dem Start die Sportler so in Schwung zu bringen, dass sie alles Mögliche und Unmögliche umsetzen, um zu gewinnen. Die folgende Maßnahme, Das Versprechen an den liebsten Menschen, dient genau einem solchen Ziel.

Wieso unbedingt diese Technik?

Vorab: „Vorsätze machen“ ist eine verbreitete Methode, um das erwünschte Verhalten bei einem Menschen zu stimulieren (Margraf, J. & Schneider, S., 2009), um beispielsweise für eine außergewöhnliche Anstrengung zu motivieren. Der Erfolg dieser Methode hängt oft davon ab, für welchen Anlass dieser Vorsatz gemacht und unter welchen Bedingungen (z.B. mit /ohne Absprache mit jemandem) dieser formuliert wird. Für den besten Wirkungseffekt sollen die beiden Aspekte eine besondere emotionale Bedeutung für die Person haben, die diesen Vorsatz fasst. Das ist gerade unser Fall. Erstens spricht die Wichtigkeit des Relegationsspiels für sich selbst – niemand will absteigen. Zweitens werden die Vorsätze im Rahmen dieser Maßnahme gezielt an die wichtigsten und liebsten Menschen gerichtet. Man könnte natürlich nur sich selbst etwas versprechen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Versprechen tatsächlich eingehalten wird, sinkt aber dabei. Ein Mensch als ein soziales Wesen braucht immer jemanden, für den er etwas tut. Unsere Familie, Lebensgefährten und Lebensgefährtinnen, Kinder, enge Freunde sind ein starker Stimulator. Wir sind oft bereit für andere etwas zu machen, was wir für uns selbst nicht tun würden. Dies wird bei unserer Maßnahme zu Gunsten der ganzen Mannschaft ausgenutzt.

Wie läuft es genau ab?

Das Versprechen an den liebsten Menschen kann unterschiedlich gemacht werden. Wenn es um einen mehrere Tage andauernden Wettkampf geht, beispielsweise eine Weltmeisterschaft, können Sportler beispielsweise einen Brief an ihre Familie mit den Versprechungen schreiben. Es ist wichtig für den Sportler, eine Kopie von diesem Brief zu besitzen, damit er immer sein Versprechen vor Augen hat, um sein bestes Ergebnis zeigen beziehungsweise den Wettbewerb gewinnen zu können. In unserem Fall sollen die HSV-Spieler nur für ein Spiel gegen den Karlsruher SC motiviert werden. Dabei könnte man die Versprechen-Methode über eine SMS einsetzen. Diesen Trick hat übrigens auch Pep Guardiola als Trainer vor einigen wichtigen Spielen erfolgreich angewendet (Balagué G., 2012). Kurz bevor die Spieler sich warm machen, soll der Trainer oder der Sportpsychologe sie darum bitten, der Familie, den Freunden oder anderen liebsten Menschen eine Nachricht zu schicken und ihnen zu versprechen, dass sie alles geben werden, um zu gewinnen. Wie der Inhalt der SMS formuliert wird, kann den Spielern selbst überlassen werden. Sie können versprechen, das Spiel zu gewinnen, auf dem Platz von der ersten bis zur letzten Sekunde zu kämpfen, ihre beste Saisonleistung zu zeigen, 100-prozentig konzentriert zu bleiben und/oder Traineranweisungen zu befolgen. Damit fühlt sich jeder Fußballer den liebsten Menschen gegenüber, denen er diese SMS-Versprechen gemacht hat, verpflichtet, im Spiel alles zu geben.

Diese Methode finde ich persönlich sehr gut, weil sie die ganze Mannschaft umfasst und gleichzeitig für jeden Spieler eine persönliche Bedeutung hat. Eine sehr gute Mischung, mit welcher die Wahrscheinlichkeit erhöht werden kann, dass alle Fußballer einmütig über die ganze Spielzeit hinweg mit voller Hingabe kämpfen werden.

 

Quellen:

Balague G. (2012).Pep Guardiola. Die Biografie. 3 Aufl. C. Bertelsmann Verlag: Munchen

Margraf, J. ,Schneider,S. (2009).Lehrbuch der Verhaltenstherapie: Band 1: Grundlagen – Diagnostik – Verfahren – Rahmenbedingungen (3. Aufl.) Springer: Heidelberg.

Views: 56

Thorsten Loch: Unsere Stärken

Was die Spieler des Hamburger Sportvereins in dieser Situation zwingend benötigen, ist eine Optimierung der kollektiven Kompetenzerwartung. Hierbei wird die gemeinsame Überzeugung einer Mannschaft verstanden, eine vorliegende Aufgabe mit den gemeinsamen/kollektiven Fähigkeiten zu bewältigen. Entscheidend hierbei ist das Vertrauen jedes einzelnen Spielers in die Leistungsfähigkeit der Mannschaft und nicht in sich selbst als Teil dieser Mannschaft. Damit sich die Spieler ihren Stärken bewusst werden, eignet sich die im Folgenden beschriebene Übung hervorragend.

Der Sportpsychologe hängt ein großes Papier auf. In die Mitte wird ein großer Kreis gezeichnet. Nun fordert der Sportpsychologe die Mannschaft auf, nacheinander für jeden Spieler eine herausragende Stärke zu benennen. Diese Stärken werden in den Kreis geschrieben, so dass sich dieser mehr und mehr füllt. Wenn das ganze Team sich geäußert hat, dann fragt der Sportpsychologe nach den spezifischen Stärken der gesamten Mannschaft. Diese werden um den Kreis herum geschrieben. So ergibt sich ein Bild von inneren/individuellen und äußeren/gemeinschaftlichen Stärken. Im Anschluss stellt der Sportpsychologe die Frage an die Mannschaft, ob es möglich ist, das entscheidende Spiel gegen den Karlsruher SC für sich zu entscheiden, wenn alle ihre Stärken einsetzen. Danach schließt dieser mit der Übung ab, indem er die Formel „Erfolg ist, wenn wir alle unsere Stärken einsetzen“ unter das Bild schreibt.

Ziel dieser Übung ist es, dass sich die Spieler ihrer Stärke als Team bewusst werden und sie die Überzeugung erlangen, dass sie als Team erfolgreich sein können. Aus meiner Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Mannschaften ist die Zuschreibung von Stärken von Spieler zu Spieler weitaus wirksamer,  als vom Trainer zum Spieler (was womöglich häufiger schon geschehen ist und somit Abnutzungscharakter besitzt). Das erarbeitete Bild sollte in der Kabine aufgehangen werden. In der Traineransprache kann HSV-Trainer Bruno Labbadia immer wieder Bezug dazu nehmen, indem er speziell die Spieler anspricht, was er von ihnen möchte und wo die Mannschaft die Stärken des Einzelnen sieht.

Views: 87

Philippe Müller: Weniger ist manchmal mehr

Geht es um viel, neigt man dazu, alles perfekt machen zu wollen. Manchmal zu perfekt. Aber warum nicht für einmal “Nichts” machen? Oder zumindest, das Ganze auf das Minimum beschränken.

Es braucht keiner psychologischen Ausbildung um zu erahnen, dass der Druck auf das Team von Bruno Labbadia enorm ist. Zumal es um den Verbleib in der höchsten Spielklasse geht. Nun stellt sich die Frage: Wie aufnahmefähig ist man in dieser Situation? Wie viel Neues kann überhaupt noch aufgenommen werden? Und noch viel wichtiger: Wie viel kann davon auf dem Spielfeld, unter der ganzen Anspannung, noch abgerufen werden?

In bestimmten Spielsituationen die beste Lösung zu finden und auszuführen hängt zu großen Teilen von unserem Denkvermögen ab. Durch die Komplexität und die Geschwindigkeit des Spiels, ist diese bereits beeinträchtigt. Kommt zudem noch der ganze Druck von außen hinzu, dazu zählt der Druck von Fans, Vereinsfunktionären und Medien sowie die eigenen Erwartungen, stoßen die Betroffenen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Das “Versagen unter Druck” kann die Folge sein.

Ein adäquates Mittel um dagegen vorzubeugen ist, den Informationsgehalt auf das Wichtigste zu beschränken. Unter den gegebenen Umständen empfehle ich für die Vorbereitung des Spiels, möglichst wenig zu machen. Selbstverständlich ist ein defensives Spielkonzept sowie die Formulierung einiger individueller Anweisungen unerlässlich. Dennoch sollte auf ausführliche und komplexe Anweisungen verzichtet werden.

Stattdessen soll auf die Stärken jedes einzelnen fokussiert werden. Ohne Zweifel kann jeder Einzelne im Kader des HSV Fußball spielen (auch wenn dies in den letzten Monaten nicht immer zum Vorschein kam). Auch hat jeder bereits gute Leistungen erbracht. Die Erfahrungen, auf eine Situation richtig zu reagieren, haben somit alle. Das Ziel der Vorbereitung sollte somit sein, diese positiven Erfahrungen zu aktivieren und präsent zu machen. Da unter großem Stress auf bereits gezeigte und im Gedächtnis verankerte Handlungsweisen zurückgegriffen wird, erhöht dies die Möglichkeit, dass ein jeder Spieler auch im heutigen Spiel die optimale Lösung findet.

Zusammenfassend kann in diesem Falle gesagt werden: “Weniger ist manchmal mehr”.

Views: 85

Prof. Dr. Oliver Stoll: Egal, was auf dem Spiel steht

Versagen unter Druck, wie dies ja bei dem kommenden Relegationsspiel des HSV durchaus der Fall sein kann, hat seine Ursache zumeist in einem „Missverhältnis“ zwischen der Einschätzung dessen, was auf dem Spiel steht (was häufig als Bedrohung bewertet wird) und der Einschätzung der eigenen Fähigkeiten. Trifft dies zu, sprechen wir von einem „Stresszustand“ mit all den bekannten und wenig erwünschten, weil nicht gerade leistungsförderlichen Konsequenzen: Zu hohe Aktivierung, die Gedanken kreisen um diese ungewöhnliche, körperliche Anspannung und um den stressauslösenden Stimulus (in unserem Fall den möglichen Abstieg).

Warum also nicht das Problem an der Wurzel anpacken? Gelingt es uns, die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten zu verbessern, dann sinkt gleichzeitig die Bedrohungswahrnehmung und die oben genannten Konsequenzen des Stresszustandes verschwinden wieder. Die Wahrscheinlichkeit, dass nun auch die Trainingsleistungen abgerufen werden können, steigt.

Was heißt das nun für die Spieler des HSV ganz konkret? Ich würde für jeden Spieler die besten vier bis fünf Spiel- oder Torszenen als persönliches Video zusammenschneiden. Damit wird der Einzelne immer wieder daran erinnert, was er kann, was er schon geleistet hat und was er prinzipiell zu leisten in der Lage ist. Als Trainer würde ich in der vorbereitenden Videoanalyse des Gegners speziell auf die Schwächen des Gegners eingehen. Somit habe ich, was die subjektive Bewertung betrifft, den doppelten Effekt. Die persönlichen „Stärke-Videos“ helfen die eigenen Fähigkeiten besser einzuschätzen. Die Analyse der Schwächen des Gegners hilft, die Bedrohlichkeit aus der Situation herauszunehmen. Gleichzeitig ist es immer ratsam, dass eigene soziale Unterstützersystem zu aktivieren (siehe hierzu auch den Beitrag von Elvina). Wir wissen nur allzu gut um die stresspuffernde Funktion von sozialer Unterstützung.

Views: 112

Prof. Dr. Oliver Stoll: Gute Selbstgespräche

Man spricht mit sich selbst? Das klingt ja fast pathologisch! Das könnte man tatsächlich denken. Sofort könnte da ein Bild eines älteren, ungepflegt aussehenden Menschen vor dem inneren Auge auftauchen, der an einer Bushaltestelle steht und ständig mehr oder weniger laut mit sich selbst redet. In der Tat gibt es psychische Erkrankungen, die dadurch auffallen, dass man genau diese Symptomatik beobachten kann. Aber genau das meine ich jetzt nicht; vielmehr die Art von Selbstgespräche, die auch im Sport allgegenwärtig sind.

Zum Thema: Stabile Handlungsführung durch Selbstinstruktionen

Wir führen eigentlich ständig „Selbstgespräche“. Denn wenn wir durch die Welt gehen, dann nehmen wir zunächst unsere Umwelt wahr (Informationsaufnahme) und wir verarbeiten diese Wahrnehmungen (Informationsverarbeitungen), im Wesentlichen, um unsere nächste Handlung vorzubereiten. Wenn wir dann handeln – im optimalsten Fall zumindest – begleiten wir diese Handlung, manchmal mehr, manchmal weniger bewusst, mit „Selbstinstruktionen“ oder „Selbstgesprächen“. Wenn wir eine Handlung abgeschlossen haben, dann werten wir das Ergebnis der Handlung eben auch aus – über Selbstgespräche. Diese „Selbstgespräche“ sind eigentlich nichts anderes als unsere Gedanken und dieser Prozess der Vorbereitung, Begleitung und Auswertung einer Handlung läuft zumeist mehr oder weniger unbewusst – oder besser gesagt automatisiert ab. Häufig kümmern wir uns gar nicht bewusst, um genau diese Prozesse, da dies ja auch Aufmerksamkeit und Konzentration „kostet“. Und eigentlich ist das ja auch eine sehr ökonomische Form des Handelns und der Steuerung von Handlungen, die wir uns auch hart erarbeitet haben (in den sehr frühen Jahren unseres Lebens). Wenn dann alles klappt, was wir so vorhaben, dann ist auch alles gut. Problematisch wird es erst, wenn unsere Gedanken – also unsere Selbstgespräche – uns bei der Handlungsausführung (aus welchem Grund auch immer), nicht mehr helfen, sondern eher stören.

So etwas geschieht insbesondere dann, wenn wir in „Drucksituationen“ oder Krisensituationen geraten. Vor lauter Hilflosigkeit und Bedrohungswahrnehmung in einer solchen Situation neigen unsere Gedanken (also unsere Selbstgespräche dazu), wenig strukturiert und steuernd, sondern eher chaotisch und wirr in unseren Köpfen herum zu kreisen. Das ist dann mitunter wenig hilfreich, um eine nächste Handlung vorzubereiten (und zu begleiten). So geschehen, bei ca. KM 68,5 bei meinen 100 Kilometerlauf in Biel (Zum E-Book: Einmal war ich in Biel). Ich lief gegen eine Wand von Schmerzen und erlebte einen mehr oder weniger starken „Ganz-Körperkrampf“. Eine Situation, die mein Weiterlaufen unmöglich machte und einem möglichen „Ausstieg“ aus dem Rennen zur Folge haben hätte können, wenn ich in dieser Situation nicht besonderen Wert darauf gelegt hätte, meine Gedanken bewusst zu steuern. In einer solchen Situation, darf man sich nicht von seinen Gedanken steuern lassen, sondern man muss selbst das Heft in die Hand nehmen und die Gedanken steuern. Denn wir wissen ja, dass diese Gedanken (Selbstinstruktionen) unsere nächste Handlung vorbereiten und begleiten. In diesem Fall, habe ich mir zunächst beruhigend zugeredet, habe mich erst einmal hingesetzt und dann bewusst (also mir selbst befehlend) eine Entspannung eingeleitet. Ich habe mir dann in einer kleinen Diskussion mit mir selbst klar gemacht, dass ich diese Situation der Schmerzen, so wie sie ist, akzeptieren muss, weil dies eben zu einem 100 Kilometer-Lauf dazu gehört. Je mehr ich diesen Zustand akzeptierte, desto gelassener wurde ich. „Mach den Schmerz zu deinem Freund“, war meine Selbstinstruktion – mein Gedanke in dieser Situation. Diesen habe ich wiederholend verinnerlicht, was dazu führte, dass ich die ganze Situation plötzlich wieder in einem weniger bedrohlichen Licht gesehen habe. Ich bekam somit zunehmend Kontrolle über die Situation zurück und konnte weiter laufen. Ganz ähnlich ging es mir auf den letzten zehn Kilometern des gleichen Rennens. Ich war körperlich so erschöpft, dass ich eine prinzipiell automatisierte und ökonomische Bewegung wie „Laufen“ nur unter großem – auch mentalen – Aufwand umsetzen konnte. Das ging nur noch, weil ich meine Laufbewegung sehr bewusst gesteuert habe. Wie viel länger ich dies hätte noch tun können, weiß ich nicht, aber ich wusste ja, dass nach 100 Kilometern Schluss ist. Es waren ja „nur noch“ fünf oder sechs Kilometer. Ich habe mich dann damit abgelenkt, umzurechnen. Also wie viele Stadionrunden sind fünf Kilometer? Und das habe ich mir dann bildlich vorgestellt. Das wiederum führte ebenfalls wieder dazu, dass ich dann diese, eigentlich für mich sehr kritische Situation, in einem weniger bedrohlichen Licht gesehen habe.

All das wäre nicht möglich, wenn wir nicht in der Lage wären, „mit uns selbst zu reden“, unsere Gedanken zu analysieren und im Bedarfsfalle steuernd diese „in die richtigen Bahnen zu lenken“.  Aus diesem Grund sind unsere Selbstgespräche, vor allen Dingen in kritischen Situationen so bedeutsam. Die richtigen Selbstinstruktionen machen ihn manchmal aus – den Unterschied zwischen „Aussteigen“ oder „Ankommen“.

Views: 2953

Thorsten Loch: Abstiegskampf – Wie Angst Leistung beeinträchtigt

Am kommenden Samstag endet die Bundesligasaison. Im Fokus steht dabei allen voran der Abstiegskampf – noch nie waren so viele Vereine wie in diesem Jahr vor dem letzten Spieltag akut abstiegsbedroht. Zwischen Platz 13 und 18 ist nahezu alles noch möglich. Die betroffenen Spieler der Vereine aus dem unteren Tabellendrittel stehen vor einer der größten Herausforderungen ihrer Karriere. Ebenso die Trainer, denen die Aufgabe zukommt, die unweigerliche Angst ihrer Akteure auf einleistungsförderndes Level zu bringen.

Zum Thema: Angst, Selbstkontrolle und Emotionsregulation

Den meisten Sportlern ist diese Situation bekannt: Man befindet sich mitten in einem wichtigen sportlichen Wettkampf und plötzlich überkommt einen ein Gefühl von Angst. Die einfachsten motorischen Bewegungen, welche sonst im Schlaf beherrscht werden, möchten einfach nicht mehr gelingen. Die Folge davon ist, dass man sein „peak performance“ nicht abrufen kann und versagt. Neueste Studien liefern Hinweise darauf, dass man dem negativen Einfluss von Angst im Sportkontext entgegenwirken kann, wenn man über ausreichend Selbstkontrollkraft verfügt.

Was ist Angst überhaupt?

Ärger und Angst sind zwei wichtige Basisemotionen, die im sportlichen Kontext eine große Rolle spielen. Ebenso wie beim Umgang mit Stress sollten Sportler diese Emotionen erkennen und regulieren können. Aufgrund der hohen subjektiven Wertigkeit des Wettkampfes empfinden Sportler in solchen Drucksituationen häufig Angst, welche wiederum die Aufmerksamkeitsfähigkeit der Sportler beeinträchtigen kann. So führt dieser Zustand der stark emotionaler Erregung dazu, dass eine eigentlich gut beherrschte sportliche Bewegung nicht erfolgreich ausgeführt wird. So kann Angst bzw. Stress im Wettkampf zu einer Leistungsminderung führen. Unsere Kognitionen werden blockiert, sprich die Fähigkeit sich zu konzentrieren, wichtige (kritische) Situationen im Wettkampf zu analysieren und zielgerichtet zu handeln (Alfermann/Stoll, 2005). Im Fußball und vielen weiteren Sportarten ist für ein erfolgreiches Abschneiden jedoch selektive Aufmerksamkeit erforderlich (Vickers, 1996). Das bedeutet, dass für den motorischen Ablauf irrelevante Reize (z.B. die Zuschauer oder Konsequenzen des Spielausgangs) ausgeblendet werden müssen und der Aufmerksamkeitsfokus stattdessen auf den relevanten Zielreizen liegen muss (z.B. Torerfolg, -verhinderung).

Wie Angst im Sport entsteht

Angst im Sport entsteht nach dem Stressmodell von Lazarus (mod. nach Eberspächer, 2007) aus der kognitiven Bewertung der Situation. Hierbei schätzen die Sportler den Sachverhalt, z.B. eine Wettkampfsituation zunächst als „bedrohlich“ ein. Hinzu kommt, dass die eigenen Ressourcen, die hierfür zur Verfügung stehen, als „nicht ausreichend“ angesehen werden. Das Ergebnis ist ein Absinken der Selbstwirksamkeitserwartung und damit einhergehen eine verringerte Leistung. Bandura (1977) definiert Selbstwirksamkeitserwartung als Einschätzung der eigenen Fähigkeit/Fertigkeiten, Handlungen so zu organisieren und auszuführen, dass angestrebte Ziele erreicht werden können.

Ähnlich wie beim Stress enthält Angst eine externe (äußere Bedingungen) und eine interne Komponente (Einschätzung der eigenen Bewältigungsressourcen). Da die Wettkampfsituation nur schwer zu beeinflussen ist, ist es vor allem die interne Komponente, die Trainer nutzen müssen, um ihren Sportlern bei der Angstregulation zu unterstützen. Lob und positive Ansprache fördern das (Selbst-)Vertrauen und tragen dazu bei, „bedrohliche“ Situationen zu bewältigen.

Kraftspeichermodell der Selbstkontrolle

Um zu erklären, warum Menschen ihre Aufmerksamkeit nicht einfach von bedrohlichen Reizen weg und hin zu relevanten Reizen steuern können, kann das Kraftspeichermodell der Selbstkontrolle von vor Baumeister, Vohs und Tice (2007) zu Rate gezogen werden. Selbstkontrolle wird definiert als Fähigkeit, automatische Handlungstendenzen, Emotionen oder auch Aufmerksamkeitsprozesse zu unterbinden und stattdessen alternative Prozesse einzuleiten. Dies lässt sich am folgenden Beispiel genauer erläutern: Ein Spieler erhält von seinem Trainer die Anweisung, nach Ballverlust in der Offensive nicht an dem Fehler hängen zu bleiben, sondern schnellstmöglich in ein Gegenpressing umzuschalten. Da der Spieler jedoch die Tendenz dazu hat, stehen zu bleiben, muss dieser Selbstkontrolle aufbringen, um sich an die Vorgaben des Trainers zu halten. Die Praxis zeigt, dass die Sportler häufig die Vorgaben nicht umsetzen können (oder wollen). In diesem Fall scheitert die Selbstkontrolle. Das liegt laut Baumeister et al. unter anderem daran, dass sämtliche Selbstkontrollhandlungen auf einer begrenzten Ressource basieren – einem metaphorischen Kraftspeicher. Der Kraftspeicher liefert sozusagen den Treibstoff für Selbstkontrollhandlungen jeglicher  Art. Jedoch kann sich die Kapazität des Kraftspeichers vorübergehend erschöpfen. Nach vorangegangenen Selbstkontrollhandlungen ist unter Umständen vorerst nicht mehr ausreichend Kapazität für weitere Selbstkontrollhandlungen im Kraftspeicher verfügbar, was in der Folge zu schlechterer Selbstkontrollleistung führt. Diesen Zustand der Erschöpfung des Kraftspeichers bezeichnet man auch als Ego Depletion.

Selektive Aufmerksamkeit  

Ebenfalls vom Kraftspeicher abhängig ist die selektive Aufmerksamkeit, da man für sie Selbstkontrolle ausüben muss: Man muss dem Impuls entgegensteuern, ablenkenden irrelevanten Reizen Beachtung zu schenken. Oaten und Cheng (2006) konnten dies in ihrer Studie verdeutlichen: Die Teilnehmenden sollten drei zuvor festgelegte Quadrate aus einer Gruppe identischer Quadrate, die sich in zufälligen Mustern auf dem Computerbildschirm bewegten, mit den Augen nachverfolgen und am Ende jedes Durchgangs mit der Maus anklicken. Gleichzeitig lief ein Eddy Murphy-Video als Ablenkung. Wie erwartet konnten die Teilnehmenden die drei Quadrate seltener wiederfinden, wenn ihr Kraftspeicher zuvor durch eine Selbstkontrollaufgabe, die mit der Aufmerksamkeitsaufgabe nichts zu tun hatte, erschöpft worden war. Im Zustand von Ego Depletion konnten sie ihre Aufmerksamkeit vermutlich weniger erfolgreich von dem Video fernhalten und wurden deshalb bei der Aufgabenbearbeitung beeinträchtigt.

Fazit

Stress, Ärger, Angst – die Palette der Emotionen, mit denen Sportler in Wettkampfsituationen zu kämpfen haben, ist breit gefächert und kann damit die Leistungsfähigkeit spürbar beeinträchtigen. Die Trainer der abstiegsbedrohten Vereine sind gut darin beraten, bei der Regulation negativer Emotionen zu helfen. Dazu gehört, die optimale Spannung zu finden, Stress abzubauen und Angst oder Ärger in die richtigen Bahnen zu lenken. Stress und Angst erhöhen die Leistung, wobei ein zu hohes oder zu niedriges Level zu Leistungseinbußen führen kann. Wir dürfen gespannt sein, welcher Trainer die richtigen Worte findet, um seinen Spielern das nötige Selbstvertrauen zu geben, um den bitteren Gang in das Unterhaus doch noch abwenden zu können.

 

Literatur:

Alfermann, D./Stoll, O. (2005).

Baumeister, R. F., Vohs, K. D. & Tice, D. M. (2007). The strength model of self-control. Current Directions in Psychological Science, 16, 351-355.

Bandura, A. (1977). Self-efficacy: Toward a unifying theory of behavioral change. Psychological Review, 84, 191-215.

Eberspächer, H. (2007). Mentales Training. Das Handbuch für Trainer und Sportler. München: Copress.

Oaten, M./Cheng, K. (2006). Improved self-control: The benefits of a regular program of academic study. Basic and Applied Social Psychology, 28, 1-16.

Vickers, J. N. (1996). Visual control when aiming at a far target. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 22, 342−354.

Views: 1205

Hallenser Sportpsychologen bei Tagung der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie

Prof. Dr. Oliver Stoll und Michele Ufer berichten im Rahmen der Arbeitstagung für Sportpsychologie in Freiburg (Breisgau) über ihre Arbeit in Theorie und Praxis. Oliver Stoll erläutert ein „Tool“, das im Rahmen von Team-Building-Prozessen zum Einsatz kommen kann. Michele Ufer präsentiert erste Ergebnisse aus seinem laufenden Forschungsprojekt zu Flow-Erfahrungen und Selbststeuerungsfähigkeiten im Ultralangstreckenlauf. Darüber hinaus informieren Jan Pithan und Ina Blazek insbesondere über Jan Pithan‘s  aktuelles Projekt im Bereich Visualisieren im Wasserspringen. Informieren Sie sich auch über das Restprogramm in Freiburg: http://www.asp2015.de

Arbeitskreis „Wahrnehmen und Entscheiden“

Do, 14.05., 17:25: Jan M. Pithan, Ina Blazek, Oliver Stoll: Der Einfluss von Visualisierung und Beobachtung im Wasserspringen auf die zentrale Alpha- Aktivität

Praxis-Workshop 4

Fr, 15.05., 9:00 – 10:20 Uhr: Oliver Stoll: Team Building in den Sportspielen – wie erhöhe ich die aufgabenbezogene Mannschaftsattraktivität? Möglichkeiten von Rollenspielen anhand eines Beispiels aus der Praxis

Arbeitskreis Belastung & Erholung im Sport

Fr. 15.05.: Michele Ufer, Oliver Stoll: Determinanten und Auswirkungen des Flow-Erlebens beim Ultramarathon-Lauf unter extremen Bedingungen

 

Weitere Informationen zur ASP-Tagung: http://www.asp2015.de

Views: 54