Champions League-Finale: Was Loris Karius erfahren musste und Sportler lernen können

Diese Bilder werden im Jahresrückblick 2018 nicht fehlen. Ein leidender Loris Karius, der sich bei den Fans seines FC Liverpool für seine Fehler entschuldigt. Das Endspiel der Champions League zwischen Liverpool und Real Madrid war erst einige Minuten Sporthistorie, da sprach Oliver Kahn im ZDF aus Erfahrung. Er erklärte nach dem Finale, welches die Spanier mit 3:1 für sich entscheiden konnten, wie beschissen sich die Situation nun für den jungen Torhüter anfühle. Und er betonte, dass sich das Gefühl in den kommenden Tagen noch deutlich verschlimmern werde. Also haben wir im Netzwerk eine Frage aufgeworfen, was Sportlern in solchen Situationen helfen kann. 

Frage: Wie kann Loris Karius das Misserfolgserlebnis “Champions League-Finale” abhaken?

Thorsten Loch
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Das Stichwort ist in diesem Fall selbstwertdienliche Attribuierung. Dieses Attribuierungsmuster dient in verschiedenen Lebenslagen dazu, Misserfolg mit Ursachen zu begründen, die den eigenen Selbstwert nicht gefährden. Diesen Stil konnte man bei Karius unmittelbar nach dem ersten „Patzer“ beobachten, in dem er beim Schiedsrichter bemängelte, dass der Stürmer nicht den nötigen Abstand eingehalten hätte. Also nicht er selbst, sondern eine externe Variable (in diesem Fall Benzema) war dafür verantwortlich. Diese Reaktion deutet daraufhin, dass der Selbstwert bzw. das Selbstvertrauen von Karius in den Keller rutschte. Dass das Traumtor von Bale das Selbstvertrauen endgültig angriff, konnte man bei dem dritten Treffer von Madrid sehen.

Karius ist nun gut darin beraten, erst einmal ein wenig Abstand zu gewinnen, damit ausführliche – emotional nicht behaftete – Analysen durchgeführt werden können. Dann sollte er seine Leistung in Relation zu seinen bisher gezeigten Leistungen setzen. Eine gute Möglichkeit besteht darin, zu erforschen, dass er nicht der Einzige ist, dem solches passiert ist. Selbst einem Oliver Kahn im WM–Finale 2002 oder kürzlich Sven Ulreich im Champions League-Halbfinale sind schwerwiegende Fehler schon unterlaufen. Dabei wird er erkennen können, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ihm ein solches Spiel nochmals passieren könnte, so gering ist, dass er seinen Nutzen daraus ziehen kann und gestärkt aus dieser schweren Phase herauskommen kann.

Dr. René Paasch  
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Loris Karius hat im Champions League-Finale gezeigt, wie schwierig es ist, mit außergewöhnlichen Situationen umzugehen. Und häufig stelle ich persönlich fest, dass im Profi-Fußball kaum bekannt ist, wie Gedanken das Erleben und das Handeln im Leistungssport beeinflussen können. Welche Methoden und Übungen gibt es aber dafür?
Akzeptanz- und Commitmenttraining kann dabei ein wichtiger Schlüssel sein. Im Fall von Karius ließe sich an mehreren konkreten Punkten ansetzen: Die Unwilligkeit, also die Tatsache, dass die Fehler nicht seine Absicht waren, wie er es mit der emotionalen Entschuldigung den Fans gegenüber nach Spielende ausgedrückt hat. Unerwünschte Gedanken können eine Rolle spielen, nach dem Motto: Ich bin ein schlechter Torwart. Nicht zu vernachlässigen sind belastende Gefühle und Ängste, die nicht zuletzt die Morddrohungen ausgelöst haben könnten. Damit im Zusammenhang stehen auch unangenehme körperliche Zustände, die sich in Übelkeit oder Kopfschmerzen äußern können.

Für einen gesunden Umgang mit außergewöhnlichen Situationen sind aus meiner Sicht die Akzeptanz und die innere Verpflichtung sich selbst gegenüber maßgeblich. Aber auch die empathische und fürsorgliche Begleitung aller Akteure und Unterstützer, können in diesem Fall helfen. Der DFB fordert dies seit einigen Jahren in den
Nachwuchsleistungszentren (NLZ) ein. Es schadet aber auch bei Profils nicht.

 

 

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de