Katharina Petereit: Vorbild Ibrahimović?

“Glaubst du an Jesus? […] also glaubst du an mich.” Mit diesen Worten versuchte Zlatan Ibrahimović seinen damaligen Trainer Carlo Ancelotti vor dem Spiel mit Paris Saint-Germain gegen Olympique Lyon in der Saison 2012/2013 zu beruhigen, als dieser nervös wirkte. Passend zur Fußball-Europameisterschaft wurden Zlatans beste Sprüche von unterschiedlichen Sportmagazinen zusammengefasst und mit Bildern des Schweden-Stars unterhaltsam dargestellt. Doch was steckt hinter diesem exzentrischen, häufig überheblich wirkenden Verhalten und was können vor allem Nachwuchsspieler daraus lernen? 

Zum Thema: Zlatan Ibrahimovićs Exzentrik und was Kinder davon nachmachen sollten?

Die Frage nach der Vorbildfunktion Ibrahimovićs muss differenziert betrachtet werden. Für viele Fußballfans und Nachwuchsspieler ist der 34-jährige mit seinen herausragenden Aktionen mit Sicherheit einer der besten Stürmer weltweit. Hinsichtlich seiner Selbstüberzeugung, seiner Egozentrik und seines häufig arroganten Verhaltens existieren vermutlich unterschiedliche Meinungen. Kritiker beschreiben ihn als völlig überheblich, andere jedoch bewundern diesen einzigartigen Charakter, welcher gewiss auch einen großen Anteil an seiner Karriere trägt. Laut eines Interviews mit Zlatan Ibrahimović ist sein eigenes Vorbild Muhammad Ali, welcher sich seinerzeit als “I’m the Greatest” beschrieb und bei Zlatan ein prägendes Bild voller Selbstbewusstsein und Selbstinszenierung hinterließ (spox.com, 05.02.2013).

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Ein von Zlatan Ibrahimović (@zlatanibrahimovicoffical) gepostetes Foto am 28. Nov 2015 um 9:34 Uhr

Selbsterfüllende Prophezeiung?

Der Begriff Selbstbewusstsein hat einerseits häufig einen negativen Beigeschmack und wird synonym für unterschiedliche Ausprägungen der Selbstbewertung genutzt. Andererseits wird diese globale Beschreibung ständig in Instruktionen von Trainern in Anspruch genommen – Beispiel: “Ihr müsst selbstbewusst auftreten”. Was Selbstbewusstsein bedeutet und beinhaltet, ist meiner Erfahrung nach, vielen Nachwuchsspielern gar nicht klar. Sie schätzen Spieler wie Ibrahimović, sind sich aber der Wirkung eines solchen Charakters nicht immer bewusst. Das von Trainern häufig geforderte selbstbewusste Auftreten meint, dass sich die Spieler (auch von einem vermeintlich stärkeren Gegner) nicht verunsichern lassen sollen, sie eine überzeugende Körpersprache zeigen und eine gewisse Persönlichkeit an den Tag legen. Von Ibrahimovićs Verhalten können sich Nachwuchsspieler ohne Frage das ein oder andere abschauen. Natürlich kann zu viel Hochmut zum Fall führen, worauf ich auch in meinem Artikel “Ich bin der Beste hier” hinweise und das Thema Arroganz kritisch diskutiere. Allerdings kann die genannte Selbstinszenierung, ein exzentrisches Verhalten und auch das so-tun-als-ob eine selbsterfüllende Prophezeiung darstellen. Vereinfacht ist damit gemeint, dass aus einem vorgeblich selbstbewussten Verhalten bestimmte Reaktionen folgen, aus denen dann “echtes” Selbstbewusstsein entstehen kann. Natürlich müssen wie bei Ibrahimović auch bestimmte Leistungen folgen, damit das ganze Auftreten nicht lächerlich und überheblich wirkt. Deswegen sollte vor allem bei Nachwuchsspielern darauf geachtet werden, dass sie kein falsches Selbstbild von sich bekommen und dieses regelmäßig mit dem Fremdbild von Trainern, Mitspielern und Freunden abgeglichen wird. Ein spezieller Charakter, derbe Sprüche und ich-bezogenes Verhalten sind für die Medien ein gefundenes Fressen und immer eines der Topthemen im Sport. Wie bereits beschrieben, sollte hinsichtlich der Frage nach der Vorbildfunktion Ibrahimovićs abgewogen werden. Sein Auftreten ist sicherlich ein Alleinstellungsmerkmal und nicht übertragbar auf Nachwuchsspieler. Die Grundzüge seines Verhaltens und die selbstsichere Darstellung seiner Person allerdings sind Eigenschaften, die im Leistungssport häufig gefordert werden und in gewissem Maße auch nützlich sind.

Ernsthaftigkeit der Exzentrik

Zudem sollte immer hinterfragt werden, inwieweit ein solcher Spieler wie Ibrahimović seine Sprüche und sein Verhalten absolut ernst meint oder ob da auch ein gewisses Augenzwinkern und Selbstironie hinterstecken. Zumal er in Interviews auch immer wieder beteuert, dass er wisse, wo er herkomme und sich an seinem Leben trotz der Unmenge an Geld nicht viel geändert habe – Bedienstete gäbe es keine in seinem Haus. Außerdem ist nicht zu unterschätzen, dass Zlatan neben seinem selbstbezogenen Auftreten auch viele wohltätige Gesten zeigt. Andere Menschen sind ihm also nicht immer so gleichgültig wie es häufig dargestellt wird und er ist auch nicht ausschließlich der beleidigende, selbstverliebte und überhebliche Schweden-Star. Dahinter verbirgt sich ein Fußballspieler, der “… immer noch hungrig [sei] , Ziele zu erreichen” (spox-Interview, 05.02.2013) und  viele weitere Charaktereigenschaften aufweist, die eine Vorbildfunktion erfüllen – hier ist nicht zuletzt auch das Verantwortungsbewusstsein seiner Familie gegenüber und sein skandalfreies Leben zu nennen, welches im Fußballbusiness keine Selbstverständlichkeit darstellt. Auch wenn er aktuell mit seiner eigenen Sportmarke A bis Z – Amateur bis Zlatan – wieder alle Aufmerksamkeit und Kritik auf sich zieht, wären Schlagzeilen über seine sportlichen Leistungen auch für Fußballfans mal wieder eine Abwechslung.

 

Weiterführende Literatur:

Baumann, S. (2011). Psyche in Form: Sportpsychologie auf einen Blick. Aachen: Meyer & Meyer Sport.

Brand, R. (2010). Sportpsychologie. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Meyer, Z. (2011). Sportpsychologie. Die 100 Prinzipien. München: Copress Verlag.

 

Weiterführende Links:

http://www.spox.com/de/sport/fussball/international/frankreich/1302/Artikel/interview-zlatan-ibrahimovic-paris-saint-germain-fc-bayern-muenchen-mit-pep-guardiola-vorblid-muhammad-ali.html

http://www.11freunde.de/galerie/die-besten-sprueche-von-schweden-star-zlatan-ibrahimovic

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Katharina Petereit
Katharina Petereithttp://www.die-sportpsychologen.de/katharina-petereit/

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Münster, Deutschland

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