Ruud Vreuls: Hero oder Zero im Elfmeterschießen?

Die ersten Achtelfinal-Begegnungen sind bei der Fußball-WM gespielt und bereits das erste Spiel Brasilien gegen Chile bot pures Drama. Der Gastgeber Brasilien setzte sich mit viel Glück gegen die Elf aus Chile durch, dies allerdings erst nach Elfmeterschießen. Der entscheidende Elfmeter wurde durch den Chilenen Jara nicht verwandelt, damit zog Brasilien ins Viertelfinale ein.

Zum Thema: Ist das Elfmeterschießen trainierbar?

Manche Fußball-Experten behaupten immer noch, dass Elfmeterschießen nur eine reine Glückssache sei und nichts mit fußballerischen Fähigkeiten zu tun habe. Allerdings steht fest, dass derjenige, der Weltmeister werden will, auch solche speziellen Situationen meistern können muss. Durch die gesammelten Daten von mehreren Jahrzehnten „Fußballforschung“ sind wird in der Lage, zu definieren, wo genau ein Ball für den Torwart unhaltbar ist. Trotz dieses theoretischen Wissens gelang es dem Chilenen Jara nicht, den Ball zu verwandeln – ganz im Gegenteil zu Klaas-Jan Huntelaar, der während seines Elfmeters in der Nachspielzeit des Achtelfinals gegen Mexiko mit seinem Tor die Niederlande ins Viertelfinale gebracht hat.

Enormer Druck 

Für beide Spieler war der Druck in der jeweiligen Elfmetersituation enorm. Was entscheidet nun aber, ob man ein Hero und somit der Star seiner Mannschaft wird oder derjenige, der quasi Schuld an der Niederlage hat und damit zum Zero wird? Wie schon im Leitartikel über Elfmeter von Nils Gatzmaga, Link zum Die-Sportpsychologen-Leitartikel, ausführlich beschrieben wurde, ist ein Elfmeter mental trainierbar. Genau wie im Training Freistöße geübt, sollten auch Elfmeter trainiert werden – und dies am besten in Situationen, in denen Druck kreiert wird.  Sehr aktuell ist in diesem Fall dann auch die Situation der Engländer, die allein für das Elfmeterschießen einen Sportpsychologen verpflichtet haben, um dies nicht nur körperlich, sondern vor allem auch mental zu trainieren. Weiterhin beschreibt Gatzmaga, dass ein Elfmeter mit Glück nichts zu tun hat. Eine solche Situation sollte eher als Routine gesehen, statt als Druck bewertet werden, damit die blockierenden Gedanken auf das Ergebnis so wenig Einfluss wie möglich haben.

Spannung pur

Gleich nach dem verschossenen Elfmeter von Jara war im WM-Achtelfinale zu sehen, in welchen unterschiedlichen Welten der Chilene und der brasilianische Superstar Neymar sich in diesem Moment befanden. Beide hatten mit Emotionen zu kämpfen, allerdings war Neymar nach seinem erfolgreichen Elfmeter im Gegensatz zu Jara überglücklich. Deutlich war zu sehen, dass auch der Star von Brasilien seine Emotionen nicht mehr kontrollieren konnte.

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Diese Spannung, die selbst daheim vor dem Fernseher spürbar war, hat nicht nur Einfluss auf den Körper, sondern auch auf die Psyche. Neymar war nicht der einzige Brasilianer, der seinen Emotionen freien Lauf gelassen hat. Júlio César, genau dieser Torhüter der nach dem WM-Aus 2010 von der ganzen Nation als Zero bezeichnet wurde, ist jetzt Brasiliens Hero. In seinem Interview, während dessen er in seinem emotionalen Zustand deutlich Schwierigkeiten hatte zu reden, betonte er, dass er besonders nach all der Kritik an seiner Person nach 2010 froh sei, dass Brasilien weiter gekommen ist.

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Vor allem hoffe er, dass die Brasilianer ihn jetzt als Hero sehen und nicht mehr als Zero. Leider wird jetzt der Chilene Jara erst einmal mit diesem Status leben müssen. Ob man letztendlich durch einen Elfmeter zum Hero oder Zero wird, hat also nichts mit Glück zu tun, sondern dem Ausmaß in dem man körperlich, aber auch mental auf diese vorbereitet ist.

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de

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