Dr. René Paasch: Priming im Fußball

Sind unsere Gedanken und Verhaltensweisen, die wir Tag für Tag als Sportler fällen, nur von unserer bewussten Entscheidung abhängig oder werden sie womöglich in hohem Maße vom Trainer beeinflusst? Richtig, ein Trainer kann eine ganze Menge beeinflussen. Liebe Trainer, vielleicht können Sie sogar intensiver auf ihre Spieler einwirken als sie es bis hierhin denken. Also, lesen Sie den Text, probieren Sie es aus und geben Sie mir Feedback!

Zum Thema: Taktische Vorgaben schneller lernen mit Priming?

Unter Priming versteht man eine Beeinflussung des Denkens, dass ein bestimmter vorangegangener Reiz die Denk- und Verhaltensweise bei einer darauf folgenden Reaktion beeinflusst. Bei dem Reiz kann es sich um ein Wort oder ein Bild handeln. Dieser Vorgang läuft unbewusst ab und kann je nach Art des Priming Gedächtnisleistungen verbessern. Das Gehirn legt beim Priming Spuren an und bereitet so Ihr Unterbewusstsein auf kommende Ereignisse vor. Durch einen Reiz werden in Ihrem Gehirn Gedächtnisinhalte aktiviert und diese lösen aufgrund früherer Erfahrungen und Erlebnisse, spezifische Verbindungen aus. Testen Sie selbst? Antworten Sie auf die nun folgenden Fragen schnell und ohne lange nachzudenken:

Welche Farbe hat Schnee?
Wie ist die Farbe eines Brautkleides?
Welche Farbe haben Schneeglöckchen?
Was trinkt die Kuh? 

Trinkt Ihre Kuh auch Milch? Dann hat das Priming gut funktioniert. Die Fragen haben Sie auf die Farbe Weiß eingestimmt. Überrascht? Dann freuen Sie sich nun auf die folgenden Inhalte: Das Priming-Konzept hat viele verschiedene Ausprägungen. Die Wirkungsweise des Priming-Effekts beschränkt sich nicht nur auf das Abrufen von Wörtern und Gedanken, sondern kann auch Auswirkungen auf ein gezeigtes Verhalten haben. Der sogenannte Florida-Effekt (Bargh, 1996) ist ein berühmtes Beispiel für diese Wirkung. Werden Menschen mit vielen Begriffen konfrontiert, die sich um das Wort “alt” drehen, dann wirkt sich das auch ganz unbewusst auf das Verhalten dieser Menschen aus. Sie bewegen sich beispielsweise langsamer und schwerfälliger. Diese Beobachtung bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass der Priming Effekt auch zur positiven Beeinflussung des eigenen Verhaltens genutzt werden kann. Ein weiterer Effekt ist das semantische Priming.

Das semantische Priming

Dieser Priming-Effekt zeichnet sich durch die Aktivierung von begrifflichen Assoziationen, zum Beispiel durch die Aktivierung über Bilder oder Wortfelder aus. Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass die Verarbeitung eines Begriffes, die Verarbeitung eines sich anschließenden Begriffes beeinflusst. Wenn diese Beziehung besteht, kann der vorangegangene Reiz bewirken, dass der nachfolgende schneller verarbeitet wird. So kann beispielsweise der Begriff “Raute” schneller verarbeitet werden, wenn zuvor das Wort “Taktik” vernommen wurde. Der Grund dafür, liegt im Aufbau unseres Wortgedächtnisses. Unser semantisches Gedächtnis ist ein neuronales Netzwerk, welches über ein riesiges Lexikon verfügt. Collins und Loftus bezeichnen dies als Knoten. Diese Knoten sind in einer assoziativen Verbindung und bilden einzelne Konzepte. Wird eines dieser Konzepte aktiviert, werden auch andere mit diesem Konzept aufgerufen. Eine weitere Beobachtung des semantischen Priming ist es, dass ein Konzept, welches bereits zuvor einmal aktiviert wurde, beim zweiten Aufruf deutlich schneller gefunden und aktiviert wird. Das semantische Priming kann sehr hilfreich sein, um taktische Vorgaben oder Neuerungen zu steigern. Doch wie kann das Priming in der sportlichen Praxis effektiv genutzt werden? Dazu möchte ich Ihnen zwei praktische Anwendungen anbieten:

Assoziationen als Verbindungsmaschine

Mit der Hilfe von Assoziationen können Sie sich taktische Vorgaben und Traineranweisungen besser einprägen. Eine Möglichkeit dies zu tun, ist das gedankliche “Voreinstimmen” auf eine gegnerische Mannschaft und die damit verbundenen taktischen Vorgaben. Halten Sie sich ganz bewusst vor Augen, welche taktischen Vorgaben von Ihnen erwartet werden und visualisieren Sie das Thema. Haben Sie bereits in der Vergangenheit taktische Vorgaben erlernt, die in Zusammenhang mit diesen Dingen stehen, dann vergegenwärtigen Sie sich noch einmal diese Spielsituationen. Der Priming-Effekt sorgt dann schon vor dem Beginn des eigentlichen Lernens dafür, dass die entsprechenden sportlichen Konzepte im Gehirn aktiviert werden. Schon das Aufschreiben von themenverwandten Punkten vor der Umsetzung, kann die Aufmerksamkeit steigern. Ebenfalls kann das Visualisieren komplizierter Spielsituationen dazu beitragen, sich das Erlernte besser zu merken. Sie führen sich die Spielsituationen  sozusagen noch einmal vor Augen und verbinden so verschiedene Reize miteinander. Es gibt noch viele weitere Übungen, die die eigene Gedächtnis Leistung steigern können. Eine weitere Möglichkeit in das Wortspiel und Sätze bilden vor einem wichtigen Spiel.

Erfolg primen

In einer interessanten Studie von Stajkovic (2006) wurden Versuchsteilnehmer aufgefordert, aus einzelnen Wörtern viele unterschiedliche Sätze zu bilden. In der Experimentalgruppe wurden hierbei Erfolgswörter wie „gewinnen“, „erfolgreich sein“, „Wettkampf“ präsentiert. Die Kontrollgruppe erhielt für die gleiche Aufgabe dagegen neutrale Wörter wie „Schildkröte“, „grün“, „Lampe“. Im Anschluss wurde den Teilnehmern eine weitere Aufgabe gegeben, unter dem Vorwand, dass diese nichts mit der eigentlichen Studie zu tun hätte. Hierbei handelte es sich um eine kreative Aufgabe, in der es darum ging, aus einem Stück Draht unterschiedliche Dinge zu entwickeln. Hierbei zeigte sich, dass die Experimentalgruppe, die durch die Erfolgswörter geprimt worden war, bessere Ergebnisse erzielte. Diese Ergebnisse können Sie für Ihr Team nutzen. Fordern Sie Ihre Mannschaft vor einem wichtigen Spiel auf, aus einzelnen Wörtern möglichst viele unterschiedliche Sätze zu bilden. Wie bspw. die Erfolgswörter „gewinnen“, „erfolgreich sein“, „Wettkampf“, „Teamgeist“. Im Anschluss lassen Sie Ihre Spieler die gewohnten Vorbereitungen für ein Punktspiel machen, unter dem Eindruck, dass diese nichts mit der eigentlichen Übung zu tun hätte. Probieren Sie es aus und lassen Sie mich wissen, ob diese Technik funktioniert hat. Meine Kontaktdaten finden Sie rechts neben dem Text oder auf meiner Profilseite: http://www.die-sportpsychologen.de/profile/Rene%20Paasch/ 

Fazit:

Wer die Funktion des Gedächtnisses versteht, kann dies zum eigenen Vorteil nutzen. Das Priming ist ein hoch wirksamer Effekt, der Sportlern jeden Alters helfen kann, die eigene Gedächtnisleistung zu verbessern. Der Leistungssport bedingt sich schon seit längerer Zeit dieses Effekts und konnte damit gute Ergebnisse erzielen. Dein Kopf ist eine pausenlose Verbindungsmaschine und was du assoziierst bestimmt deine Emotionen, dein Verhalten und beeinflusst deine Leistungsfähigkeit.

 

Literatur

Bargh, J. A., Chen, M., & Burrows, L. (1996): Automaticity of social behavior: Direct effects of trait construct and stereotype priming on action. Journal of Personality and Social Psychology, 71, 230-244.

Meng Zhang & Xiuping; L (2012): From Physical Weight to Psychological Significance. The Contribution of Semantic Activations. Journal of Consumer Research.

Stajkovic, A.D, Locke, E.A. Eden S. Blair, E. S. (2006): A First Examination of the Relationships Between Primed Subconscious Goals, Assigned Conscious Goals, and Task Performance. Journal of Applied Psychology 91, S. 1172-1180

 

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Prof. Dr. René Paasch
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