Sebastian Reinold: Das Runde ins Kreisförmige

Basketball gehört zu den beliebtesten Teamsportarten der Welt. Am Samstag, den 5. September, beginnt die Basketball-Europameisterschaft. Das Turnier wird gleichzeitig in Deutschland, Frankreich, Kroatien und Lettland ausgetragen. Wir schauen uns vor dem Event aus sportpsychologischer Sicht an, was Basketball besonders macht.

Zum Thema: Welche psychologischen Besonderheiten gibt es Basketball?

Wer diesen Blog aufmerksam verfolgt, hat schon viel über die psychologischen Aspekte im Fußball gelesen: Druck bei Spielern und Trainern, Selbstwirksamkeit, Überheblichkeit oder Vorstartpanik. All dies sind Aspekte, die auch Basketballer angehen, schließlich haben Fußball und Basketball die gleiche Spielidee – den Ball in ein Ziel zu befördern. Doch aufgrund eines anderen Regelwerks kommen beim Basketball noch einige Besonderheiten hinzu.

Durch Zeitregeln wie etwa der 24-Sekunden-Regel, die besagt, dass ein Angriff nach 24 Sekunden durch einen Wurf, der zumindest den gegnerischen Korbring berührt, abgeschlossen werden muss, wird das Spiel deutlich schneller gemacht. Ein ruhiger Spielaufbau wie im Fußball, wo der Ball auch gern einmal zurück zum Torwart gespielt wird, ist somit nicht möglich. Unter hohem Zeitdruck müssen Spielhandlungen somit schnell und richtig getroffen werden. Dabei kommt es vor allem darauf an, dass Informationen (z.B. wo ist der Ball – wo ist der Gegner?) schnell aufgenommen und verarbeitet werden. Oft werden deshalb Spielsituationen vorrausschauend bewertet.

Mit einem Wurf aus dem Loch befreien

Im Fußball kann ein einzelner Treffer oft das Spiel entscheiden. In einem Basketballspiel hingegen erzielt jede Mannschaft 30-50 Treffer. Auf den Korb geworfen wird allerdings noch wesentlich häufiger, denn auch bei Profis führt nicht jeder Wurf zum Treffer. Nur 48-50% aller Angriffe führen zum Punkt. Die Dichte von Erfolgs- und Misserfolgserlebnissen ist wesentlich höher. Dies kann zu einem sehr variierenden emotionalen Erleben der Spieler führen. Trifft ein Spieler am Anfang des Spiels häufig, wird er sich gut fühlen. Lässt dann aber die Trefferquote nach, wird es ihn runterziehen. Häufig wurde aber schon beobachtet, dass sich Spieler aus diesem Loch mit nur einem erfolgreichen Wurf herausarbeiten können.

Statt elf Spielern stehen beim Basketball nur fünf gleichzeitig auf dem Feld. Das führt dazu, dass die Verantwortung, die jeder einzelne trägt, sehr hoch ist. Gerade den Starspielern wie Dirk Nowitzki auf deutscher Seite wird viel Verantwortung aufgetragen. Zudem führt die geringe Anzahl der Spieler zu häufigen Zweikämpfen mit direkter Korbfolge.

Trainer mit häufigen Interventionschancen

Im Fußball hat der Trainer nur vor dem Spiel und während der Halbzeitpause, die Möglichkeit auf die Spieler einzuwirken. Darüber hinaus bleibt ihm nur die durch die limitierten Coaching-Zone und unter dem Lautstärkepegel stark eingeschränkte Möglichkeit von außen Anweisungen zu geben. Ob diese immer so wahrgenommen werden, ist fraglich. Basketballcoaches können hingegen in der regulären Spielzeit bis zu fünf Auszeiten nehmen, um die Spieler zum gewünschten Handeln zu bewegen (nicht zu vergessen, dass dies auch in den fünf Auszeiten, die der gegnerische Trainer nimmt, möglich ist). Dazu kommen zwei Viertelpausen sowie die längere Halbzeitpause.

Die Spieler können im Basketball jederzeit aus- und eingewechselt werden. Somit haben die Spieler die Möglichkeit, sich nicht nur körperlich sondern auch geistig zu erholen, etwa durch Atemregulation. Diese Situation bietet den Spielern aber auch die Möglichkeit, sich selber Instruktionen für die nächste Einsatzphase zu geben und diese durch Visualisierung zu unterstützen. Von einem sehr guten Spieler sollte erwartet werden, dass er die Chance der Ruhe nutzt anstatt sich über eine Auswechslung aufzuregen.

Zusammenfassung der Basketball spezifischen Anforderungen:

– erhöhter Zeitdruck

– erhöhte Anforderungen an Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Informationsverarbeitung

– häufigeres stark emotionales Erleben

– erhöhte Verantwortung jedes einzelnen Spielers

– anderer Einfluss des Trainers

– Entspannungsmöglichkeiten für Spieler

 

Der Vorteil der deutschen Basketballnationalmannschaft ist, dass sie im Gegensatz zur Fußballnationalmannschaft nicht unter dem Druck der Medien und Fans steht, unbedingt Europameister werden zu müssen. Deutschland hat trotz seiner mittlerweile drei NBA-Spieler im Kader lediglich Außenseiterchancen. Allein die Gegner in der Gruppenphase, namentlich Spanien, Serbien und der Türkei (zweiter, siebter und achter der Weltrangliste), dürfen als echte Kracher gelten. Dafür hat das deutsche Team die Unterstützung der heimischen Fans hinter sich, da die Spiele der Gruppenphase alle in Berlin ausgetragen werden. Die Karten stehen gut, dass die Deutschen für eine Überraschung sorgen können. In eine allgemeine Depression werden sie das Land nicht stürzen, unabhängig vom Ergebnis.

 

 

Literatur:

Bösing, L, Bauer, C., Remmert, H. & Lau, A. (2012). Handbuch Basketball. Aachen: Meyer & Meyer Verlag.

Lau, A. & Schliermann, R. (2012). Mentaltraining im Basketball und Rollstuhlbasketball. Hamburg: Feldhaus Verlag

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de